Skandinavien (Nordkap) 2024

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Es wird scheinbar von Jahr zu Jahr schwerer, eine gemeinsame Tour zu planen.
Den einen hindern eigene körperliche Probleme oder Einschränkungen, die sich aus besonderen Umständen von nahestehenden Personen ergeben, zum Verzicht. Die Mischung aus noch arbeitenden und schon berenteten Gruppenmitgliedern und Abweichungen der „Bucket Lists“ und der persönlich geschätzten Restzeit zur Verwirklichung spielen eine immer größer werdende Rolle, die den Rahmen der gemeinsamen Möglichkeiten stecken.

Wir sind mittlerweile alle im „knackigen Alter“: es knackt bei fast jeder Bewegung in irgendeinem Gelenk.
Bernd P. hat Fakten geschaffen.
Er wollte, genau wie ich, unbedingt zum Nordkap. Er hat schon sehr frühzeitig eine Gruppenreise gebucht. Sicherlich hat der Wunsch seiner Partnerin nach mehr Sicherheit auf einer so langen Tour eine wichtige Rolle gespielt.
Ich habe nach seiner Verkündung trocken geschluckt. Die Hoffnung auf eine gemeinsame Tour hatte ich bis dahin noch nicht ganz aufgegeben. Bernd hatte es schon richtig eingeschätzt, eine Tour in einer Gruppe von über 40 Leuten, auch wenn das Fahren in „Kleingruppen“ von 9 Teilnehmern geschieht, kommt für mich nicht in Frage. Die anderen noch aktiv motorradfahrenden Gruppenmitglieder wollten nicht auf diese Tour. Wenn ich für mich noch etwas Gutes bewirken wollte, blieb nur ein Treffen mit Bernd P. am Nordkap. Da eine solche Gruppe einem festen Zeitplan folgt, war schon klar, an welchem Tag das Treffen stattfinden musste.
Ursprünglich hatte ich die Tour im Uhrzeigersinn geplant, doch Willis Geburtstag wollte ich nicht verpassen. Zwischen der Feier und dem Treffen am Nordkap war die Zeitspanne zu kurz für meine Pläne. Ich drehte die Tour einfach um.

Eine Motorradtour zum Nordkap stand schon so lange ich mit dem Motorrad reise ganz oben auf meiner Wunschliste. Bisher fehlte mir sowohl die Zeit als auch das nötige Kleingeld. Vor ein paar Jahren begann meine Frau mir zu meinen Geburtstagen und zu Weihnachten etwas für eine solche Tour zu schenken. Bücher von Leuten die von der Tour berichteten, einen warmen Schlafsack, eine sehr warme Weste, Kalender und irgendwann die klare Ansage: „Ich schenke Dir die Tour“: Übersetzt in der Sprache unserer Ehe ist das die Freigabe der Mittel von unserem Konto für dieses Projekt.
Ich hatte schon lange an dieser Tour geplant. Marker in Google Maps gesetzt von Zielen, die ich gerne anfahren wollte, Temperatur und Regentabellen der Länder studiert, um eine gute Reisezeit zu wählen und, weil ich immer wieder Probleme mit meinem Navigator IV hatte, gute Landkarten von den Regionen, die ich durchfahren wollte, gekauft.
Nachdem ich 1980 allein und 1981 mit meiner jetzigen Frau schon mal in Finnland war, wollte ich dort gerne wieder hin und insbesondere einen Pulla (finnisches Hefegebäck) in Begleitung eines Kaffees genießen.
Wenn ich schon alleine reise, wollte ich mir ein Höchstmaß an Freiheit erhalten. In meinem speziellen Fall hieß es, ich wollte mich, außer mit dem 22.07.2024 am Nordkap, nicht genau auf Termine festlegen. Das führte dazu, dass ich mich zu spät für die Buchung der Fähre von Schweden nach Finnland (Kappelskär – Naantali) entschieden habe. Die Fähre war ausgebucht, auch kurzfristig direkt vor Ort habe ich keinen Fährplatz ergattern können. Dadurch musste ich, anders als geplant, auf der schwedischen Seite an der Ostsee nach Norden fahren. Gelernt habe ich aus dieser Aktion, mich wohl doch ein wenig mehr auf eine konkretere Planung einzulassen. Bei meinen Recherchen bemerkte ich für Südschweden eine dünne Verfügbarkeit von Unterkünften. Ich entschied mich daher, die ersten beiden Nächte im Voraus zu buchen. Meine Wahl fiel auf Lund und Motala. Am Nordkap und auf den Lofoten wollte ich jeweils zwei Nächte bleiben, um bei schlechtem Wetter eine zweite Chance auf einen guten Tag zu haben. Die Unterkünfte habe ich auch im Voraus gebucht. Alle anderen Stationen und Unterkünfte ließ ich offen.

Aufbruch am 14.07.2024 wieder mal viel später als geplant, aber bei bestem Wetter.
Meine Laune war eine Gemengelage aus Aufregung, Abenteuerlust, dem tiefen Gefühl von „Ich habe es endlich geschafft, meinen Wunsch unter die Räder zu nehmen“ und der Dankbarkeit an meine Frau, die mich ermutigte und unterstützte, und den Sonnenstrahlen die mich direkt im Herzen berührten.
Meine Ängste will ich auch nicht verschweigen. Seit Monaten plagen mich Schmerzen in der Hüfte, eine Arthrose als Folge eines 37 Jahre zurückliegenden Unfalls. Beim Fahren ist es erträglich, nur das Auf- und Absteigen ist schmerzhaft. Gehen werde ich in den nächsten Wochen auf ein Minimum reduzieren. Das ist dann auch die Erklärung für die Roadmovie Einstellungen meiner YouTube Beiträge. :-)
Ich hoffe, dass mich Schmerzen nicht zum Abbruch der Tour zwingen. Bei anderen Problemen bin ich zuversichtlich, eine Lösung zu finden.
Als ich bei dem tollen Wetter durchs Stader Moor gefahren bin, durchfuhr mich der Gedanke, ob es wirklich schlau ist, bei dem tollen Wetter in eine ganz andere Region zu fahren. Besser kann das Wetter wohl nicht werden, und schön ist es doch hier auch.
Der Grund dafür, dass ich länger für meine Tour nach Norden benötige als Bernd P., ist die Wahl meiner Route. Ich wollte nicht mit den großen Fähren fahren, sondern möglichst viel Strecke selber erfahren. Langer Landweg mit vielen besonderen Brücken nicht nur weil ich das Risiko von Seekrankheit minimieren wollte, sondern auch weil ich die großen Brücken gerne sehen wollte. Daher führte mich meine Route über die Elbefähre und über kleine Straßen durch Schleswig-Holstein.
Die Fähre war gut ausgelastet. Als Motorradfahrer kann man an den wartenden Autos vorbeifahren, man wird halt irgendwo zwischen gelotst. Ansonsten hätte ich wohl die eine oder andere Fähre abwarten müssen.

Geplant habe ich meine Tour mit „Kurviger.de“. Das hat bis auf wenige Ausnahmen sehr gut funktioniert. Kurz bevor ich auf die Autobahn wollte, schickte mich das Navi auf eine kleine Nebenstraße mit einem Baumbewuchs, der wir ein Tunnelwirkte.
Die Strecke bis Lund war von der Entfernung sportlich geplant, auf Landstraßen hätte ich mein Ziel wohl erst nachts erreicht. Ich plante daher für den nördlichsten Teil Schleswig-Holsteins und Dänemark Autobahnen und Schnellstraßen.
An der Grenze zu Dänemark habe ich diese Fahnen fotografiert, zeigen sie doch die Fahnen meiner vor mir liegenden Ziele mit Ausnahme von Island. Das Land muss wohl noch warten.
Hier nun Aufnahmen der drei großen Brücken.
Für technisch interessierte Leser habe ich hier Links zu den Daten der Brücken hinterlegt.

Ny Lillebæltsbro

Storebælt (Großer Belt)

Øresundsbroen

Auf diese Überfahrten und Ausblicke hatte ich mich sehr gefreut und sie zu den Highlights der Tour gezählt. Das war auch berechtigt, aber den starken Wind hatte ich nicht auf dem Zettel. Ich hatte zeitweise gut zu tun, um die Spur zu halten. Es blieb zwar Zeit für den einen oder andern Blick zur Seite, doch für Träumen war hier kein Raum.
In Lund hatte ich im Good Morning Hotel reserviert.

Mein Navi hatte arge Probleme, die genaue Position des Hotels in dem Gewerbegebiert anzuzeigen. Essen konnte ich in der Unterkunft nicht, Personalmangel hatte das Schließen des Restaurants zur Folge. Das Zimmer war sehr klein, aber sauber.
Gegessen habe ich dann, weil ich keine Lust hatte, noch lange zu suchen, in einem „KFC“ in der Nähe. Fastfood-Läden sind nicht so meins, ich war mit dem Bestellsystem komplett überfordert. Getröstet hat mich, dass die Mitarbeiterin auch drei Anläufe gebraucht hat, um meine Bestellung so zu konfigurieren, wie ich sie gern wollte. KFC in Zukunft nur in einer Notsituation.
Das Frühstücksangebot war, zumindest gefühlt, das schwächste des Urlaubs.
Nach einem mäßigen Frühstück mit Blick auf einen Fernseher, der am Morgen schreckliche Bilder in den Raum der Betrachter sendet und Kommentare in der mir fremden Landessprache verteilt, gibt es einen großen Vorteil: Es kann nur besser werden.
Als ich meine Sachen verstaut hatte und meine Reise fortsetzen konnte, stieg mein inneres Barometer gleich in großen Schritten. Das Wetter hatte etwas an Sonne eingebüßt, bot aber keinen Anlass zur Besorgnis.
Mein Plan war, kleine Straßen zu befahren. Ich hatte die Hoffnung auf eine Michel-von-Lönneberga-Stimmung. Kleine kurvige Straßen, bunte kleine Holzhäuschen, Wiesen mit Kühen und Pferden, Birkenwäldchen und kleine Seen. Nun, ganz so romantisch wurde es nicht, jedoch fand ich ein wenig dieser Idylle. Mit Hügeln in der Landschaft hatte ich hier nicht gerechnet, ich hatte es mir platter vorgestellt. Für Fahrgenuss hat die Tour auf jeden Fall gesorgt. Leider wurde das Wetter zunehmend schlechter, es wurde kälter und begann zu regnen.
Als ich den Vättern, einen der größten Seen Schwedens erreichte, wurde aus dem Regen heftige Schauer und Wolkenbrüche. Ich fuhr daher auf die autobahnähnlichen E4. Obwohl es bis Motala, meinem nächsten Ziel, nicht mehr weit war, gönnte ich mir eine Kaffeepause und wärmte mich ein wenig auf.
Auf den beeindruckenden See erhaschte ich gelegentlich Ausblicke, die die Größe erahnen ließen, doch einen großen Teil der Zeit, die ich an diesem See entlangfuhr, betrachtete ich eine graue Wand, die wenig Inspiration in die Augen des Betrachters projizierte.

Kurz vor meinem Ziel, abgelenkt von dem Regen, verpasste ich die richtige Abzweigung. Das bescherte mir eine Fahr über die „Motalabron Bridge“, die mir zwar eine schöne Aussicht bot, doch wenn ich es richtig gelesen habe, wurde für dieses Hin- und Her, eine Mautgebühr fällig, dumm gelaufen.
Klitschenass erreichte ich das „Hotell Carl Friman“, ein kleines, aber feines Hotel. Als ich nach dem „Elevator“ fragte, wurde mir der Weg zur Treppe gezeigt, das war für das Schleppen meines Gepäckes in nassen Klamotten und meine lädierte Hüfte nicht so der Hit, blieb jedoch der einzige Wehrmutstropfen. Die Küche war zwar an dem Tag geschlossen, doch eine kleine Karte wurde bedient. Ich wählte einen Burger mit Pommes und fand ihn gut. Das kleine Abendmahl und das Bierchen wollte ich dann bar bezahlen. Das wurde von der jungen Dame verweigert. Sie bestand auf Kartenzahlung. OK, kann ich mit leben, fragte mich jedoch schon, ob ich den Rat, kein Geld umzutauschen, doch besser angenommen hätte. Ganz sicher war ich mir dann einen Moment später. Ich wollte der Dame ein Trinkgeld in bar geben, die Annahme verweigerte sie ebenfalls. Die Summe fiel mit Sicherheit nicht in die Klassifizierung eines unmoralischen Angebotes, Bargeld ist anscheinend nicht gewünscht.
Das Wetter hat sich erholt. Als ich meine Sachen zum Moped schleppte, war es schon wieder so warm, dass ich schnell auf Wasserkühlung umschaltete. In dem großen Hotelzimmer konnte ich meine nassen Sachen so optimal ausbreiten, dass sie über Nacht getrocknet sind. Dieser Umstand, ein Frühstück mit einer beeindruckend großen Auswahl an Leckereien und ein sehr netter Hotelbesitzer sorgten für einen guten Start in diesen Tag. Der Hotelbesitzer war gerade damit beschäftigt, Holzbretter direkt neben meinem Motorrad zu streichen und begann ein Gespräch mit mir. Er fragte, woher ich komme. Als ich beschrieb, das Stade in der Nähe von Hamburg sei, erzählte er von vielen Reisen mit seiner Frau nach Hamburg. Sie seien beide von der Stadt begeistert und besuchen dort gerne die Musicalangebote. Er fragte nach meinen Reiseplänen und fand die Idee toll. Er war auch mit dem Motorrad am Kap, doch als sein Sohn ausgezogen ist, hat er das Motorrad mitgenommen. Er hatte große Pläne ein „Custombike“ zu kreieren, leider ist es dann nie wieder auf die Straße gekommen. Eine nette Begegnung, ein unaufdringlicher, freundlicher Herr, der anscheinend selber liebevoll Hand an sein Hotel anlegt, zumindest ist das der Eindruck, den das renovierte Haus auf mich gemacht hat. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt.
Wieder auf kleinen Wegen streifte ich durch die Landschaft in Richtung Kappelskär, getrieben von der Hoffnung, vor Ort doch noch einen Fährplatz zu ergattern.
Ich versuchte, Stockholm so gut es ging zu umfahren, auf eine größere Stadt und den damit verbundenen Verkehr hatte ich keine Lust. Dieser Plan ging auf. Auch wenn ich teilweise auf autobahnähnlichen Strecken unterwegs war, führte mich mein Navi durch kleine Vororte mit interessanten Häusern und Gärten.
Der E18 folgend erreichte ich lange vor dem geplanten Abfahrtstermin den Fährterminal in Kappelskär. Etwas orientierungslos fuhr ich die einzelnen Zugänge zu den Verladerampen ab und suchte nach der richtigen Einfahrt. Immer, wenn ich Hoffnung schöpfte, war der Zugang entweder verschlossen oder eindeutig in die falsche Richtung ausgeschildert.
Ich fand dann ein großes Gebäude, aber auch dort keinen Hinweis auf die Reederei. Auf dem großen Parkplatz gab es keinen Schatten, und die Sonne erschien mir besonders bissig. In dieser „aufgeheizten Atmosphäre“ versuchte ich dann noch einen letzten telefonischen Anlauf bei der Reederei. Ich rief die Servicenummer in Hamburg an. Es dauerte gefühlt eine kleine Ewigkeit bis ich mit einer Mitarbeiterin verbunden wurde. Diese benötigte nur Bruchteile von Sekunden, um mir jede Hoffnung auf einen Platz für ein Motorrad und eine Person zu nehmen.

Ich verzichtete auf lautes Fluchen und verkroch mich zum Schmollen in meinen Helm. Es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder auf meinen Plan B, einfach weiter durch Schweden nach Norden, einlassen konnte.
Nachdem ich das Navi mit den neuen Vorgaben gefüttert hatte, war klar, meine Strecke führt jetzt noch eine kurze Zeit durch Wälder und Wiesen und dann für zwei Tage nur noch Schnellstraße.
Wie zum Trost traf ich dann noch auf dieses beeindruckende Auto und den authentischen Insassen und wenig später auf eine Bäckerei, die mit ihrem Duft eine „Lock Spur“ legte, die bei mir ihre Wirkung nicht verfehlte. Mit sehr leckerem Gebäck, einem kühlenden Wasser und einem Kaffee, der seinen Namen verdiente, tröstete ich mich ein wenig.
Nach über 600 km und einer Frustverarbeitung hatte ich für diesen Tag genug von der Fahrerei. Ich fragte mein Navi nach einem Hotel und wählte das erste, mir vorgeschlagene Hotel aus. Als ich dieses Ziel erreichte, stand ich am Eingang eines Golfplatzes, ein Hotel war nicht zu sehen und auch nicht ausgeschildert. OK, nächster Anlauf, sind ja nur ein paar Klicks mit dem Zeigefinger und ab geht die wilde Fahrt. In der nun wirklich golden leuchtenden Sonne kam ich nach ca. 20 Minuten an dem Hotel an. Ein wirklich beeindruckendes altes Holzgebäude, leider seit der „Zwei rote Striche Krankheit“ dauerhaft geschlossen.
Als ein Motorradfahrer die Straße entlang kam, signalisierte ich ihm, dass ich ein Hotel suche. Er verstand meine Verrenkungen, wendete und kam zu mir. Sein Tipp, ich soll zurück nach Gävle fahren, seiner Einschätzung nach der einzige Ort in größerem Umkreis in dem ein Zimmer zu buchen sei.
Ich fuhr zurück in die Stadt, parkte auf einem Parkplatz und bemühte mein Handy zur Unterkunftssuche. Das erste Angebot war mir irgendwie zu privat, irgendwie fand ich immer etwas zu mäkeln, lag wohl an meiner mittlerweile von Hunger dominierten Stimmung. Ich klickte hier und dort und war mit einer erfolgreichen Buchung erstmal zufrieden.
Ich fand das Hotel "Järnvägshotellet" dann auch recht zügig.

Es lag direkt gegenüber vom Bahnhof, eigentlich ein KO-Kriterium für mich. Die Eingangstür ließ sich nicht öffnen, aber es prangte eine Handynummer an der Tür. Ich rief dort an und erfuhr, dass ich eine Mail erhalten habe mit Zugangscode für die Tür, der Zimmernummer und allen wichtigen Informationen. Wie konnte ich das während des Motorradfahrens nur übersehen? In voller Montur und dem Gepäck in den Armen freute ich mich, dass mich ein anderer Gast in den Flur ließ. Ich studierte nun die Mail. Mit dem Fahrstuhl in den 2. Stock. OK, mein Gepäck und ich passten so eben in den kleinen, sehr alten, unter seiner Last knackenden, nicht gerade Vertrauen spendenden Fahrstuhl. An der Eingangstür benötigte ich den Code, Sesam öffnete sich. Ich stand in einem Flur mit gefühlt 50 Türen und Abzweigungen in andere Gänge. Der Schlüssel stecke auf der Zimmertür, die meine Nummer trug. Ich stolperte in den Raum und fand in einem Vorflur ein Waschbecken mit einem Handtuch und eine Garderobe. Im Zimmer befand sich ein Bett, das, so meine Vermutung, zur Erstausstattung des Hotels gehört hat. Das Hotel warb mit einer Existenz seit 125 Jahren. Die Matratze hing knapp über dem Fußboden, gehalten von Stahlfedern, die ihren Dienst an jeder Position mit anderer Intensität versahen. Jetzt schnell zur Toilette, das drückte schon länger. Aber wo ist das Bad? Gemeinschaftsbad und Gemeinschaftsdusche stand dann im Kleingedruckten. Nun fand ich den Preis nicht mehr so günstig, sondern skandinavisch sportlich.
Mein Motorrad durfte ich im Hinterhof abstellen. Klingt super, war jedoch ein echter Akt. Die Tür zum Innenhof konnte nur von innen geöffnet werden und gegen ein selbständiges Schließen gesichert werden. Dann musste ich das Eisentor zum Innenhof von innen öffnen und gegen selbständiges Schließen sichern. Nun folgte ein Gang um das Gebäude an die Straße, um das Motorrad ein Stück durch die Fußgängerzone zum Tor zu fahren. Nach der Tordurchfahrt das Tor schließen und verriegeln. Fahrt zum Abstellplatz, abladen und hoffen, dass niemand die Tür in der Zwischenzeit geschlossen hat. Leider hat doch jemand den Zugang genutzt und ordnungsgemäß verschlossen. Also um das Gebäude herumlaufen, die Tür von innen öffnen, gegen Zufallen sichern und dann das Gepäck hereintragen. Als ich meine Sachen im Zimmer hatte, war ich schon deutlich unterhopft und sehr hungrig.
Endlich im Bistro, bestellte ich zwei Flaschen Wasser, eine große Flasche gab es nicht, ein großes Bier und die Speisekarte. Das mit der Wasserflasche war wohl die schwierigste Bestellung, die ich in Schweden bisher tätigte. Ich habe mir die Übersetzung notiert, um an den nächsten Tagen Verwirrung und Zeit zu sparen. Als ich mich für die Nacht mit zwei weiteren Wasserflaschen eindecken wollte, startete ich die Verwirrung der Bedienung erneut. Hat aber doch noch geklappt. Die Nacht war für die Lage erstaunlich ruhig und ich habe, nachdem ich endlich eine geeignete Schlafposition gefunden habe, gut geschlafen. Das Frühstück und das Ambiente in dem Raum war perfekt in die sonstigen Rahmenbedingungen integriert.

Die Abreise gestaltete sich etwas einfacher. Die Auslieferfahrerin der Bäckerei, deren Auto auch im Innenhof parkte, öffnete das Tor und signalisierte, ich könne weiterfahren, sie wird es schließen.
Danke für das Angebot, ich startete in den strömenden Regen, der in der Nacht einsetzte, mit dem ich erwachte, und der mich nun zwei Tage lang begleiten sollte.
Wie schon erwähnt, hat es den ganzen Tag mehr oder weniger geregnet. Mal eben am Straßenrand stoppen und Pipimachen war schon eine Herausforderung bei den vielen Klamottenschichten. Die Wärme hatte sich auch verkrümelt. Die trockensten Stellen des Tages waren unter den Dächern der Tankstellen. Ich habe hier auch nur wenige Bilder abgelegt, ich möchte nicht die Schuld an aufkommenden Depressionen bei interessierten Lesern bekommen.
Die extrem langen LKWs haben mich schon beeindruckt, jedoch einen noch stärkeren Auftritt hatten die schwedischen Goldwingfahrer. Warum sind die in kurze Hosen unterwegs? Wollen die ihre Schutzkleidung vor dem Wetter schützen oder tragen sie die Klamotten, weil laut Kalender Sommer ist? Bei dem Anblick habe ich die Griffheizung noch eine Stufe höhergestellt und mich noch tiefer hinter der Scheibe verkrochen.
Aus meinen Erfahrungen des Vortages hatte ich gelernt. Nach wieder mehr als 650 km und dann auch noch im Regen, wollte ich die nächste Nacht in einem anständigen Hotel verbringen. Meine Wahl fiel auf das „Scandic Skellefteå“.

Als ich das Hotel erreichte, war ich nass bis auf die Knochen. Meine Frage nach einem Trockenraum wurde mit einem „Sorry“ beantwortet. Das Zimmer war sauber, nicht sonderlich groß für so viel nasse Motorradkleidung, doch, wie sich herausstellte, groß genug. um die Sachen bis zum nächsten Tag zu trocknen.
Das Restaurant war wieder einmal geschlossen, doch es gab eine Bistrokarte. Ich wählte eine Pizza. Die Preise erleichterten mir die Auswahl erheblich. Die Pizza war eine Mischung aus Flammkuchen (Stärke) und Knäckebrot (Feuchtigkeitsgehalt) und leider nicht ganz fertig aufgewärmt. Ich reklamierte mit den Worten: „Sorry, ist not really hot“, das Exemplar wurde noch einmal nachbehandelt und zum Trost mit mehr Mettwurst belegt. Am Nebentisch verrieten mir die Blicke, dass sie bedauert haben, meinem Beispiel nicht gefolgt zu sein.

Was das Abendessen vermissen ließ, wurde vom Frühstück mehr als kompensiert. Eine sehr große Auswahl ließ nach meiner Einschätzung keine Wünsche offen, der große Raum war sehr ruhig und gepflegt. Rühriges Personal wieselte fleißig, aber unaufdringlich, durch die Tischreihen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Gut gelaunt durch das tolle Frühstück und das Vorfinden der getrockneten Motorradklamotten stürzte ich mich wieder in den Regen auf die Hauptstraße in Richtung Norden. In Finnland sollte das Wetter ja besser werden und die Grenze sollte ich im Laufe des Tages erreichen. Mein Ziel für heute war der Polarkreis.
Mit Lockerungsübungen und ein wenig Musik fuhr ich mit eingeschaltetem Tempomaten einfach weiter.
Auch DHL bewegt hier diese langen LKW.

Beim Überholen bei den teilweise starken Windböen hatte ich immer ein wenig Angst vor den „Currywurst-Pommes-Makern“ zwischen den Fahrspuren. T-Träger mit gespannten Stahlseilen mögen zwar Autos von der Gegenspur abhalten, doch Motorradfahrer dürften im Gegenverkehr in verzehrfähigen Stückchen auftauchen. Mir hat diese Art von Verkehrssicherung ein wenig Angst gemacht.
Nächstes Etappenziel erreicht, die finnische Grenze, völlig unaufgeregt, einfach nur ein Schild. Das Wetter hatte sich tatsächlich ein wenig gebessert, doch der Himmel hing noch voller Wolken mit hoher Abgabebereitschaft.
Eine Zeit später tauchte dann der erste finnische See auf und das Wetter schien sich zu besinnen. Es waren die ersten blauen Lücken in der Wolkendecke aufgerissen. Schlagartig wurde es wärmer und meine Stimmung hellte mit auf.
Einen kurzen Regenschauer noch und dann Sonne satt und Temperaturen, wie ich sie eher im Süden Frankreichs erwartet hätte. Ich erreichte den Polarkreis bei 27°C. Ein großes Thermometer neben dem Eingang zeigte es an. Ich hatte befürchtet, dass dieser Ort völlig überlaufen sei, doch die Besucherzahlen hielten sich in Grenzen. Ich bahnte mir einen Weg durch den Touristore, um in das Cafe zu gelangen. Leider kein Pulla, doch ein Stück Kuchen und einen Kaffee zu recht hohen Preisen habe ich mir gegönnt.
Ich war zwar noch nicht einmal 400 km gefahren doch hatte mein Tagesziel erreicht. Ich buchte ein Zimmer im „Lappland Hotels Sky Ounavaara

Auf dem letzten Stück der Anfahrt zum Hotel habe ich das erste Rentier gesehen. Völlig ruhig bewegte es sich grasend direkt neben der Straße und ließ sich von mir nicht stören. Ich war beeindruckt.

Bei meiner Ankunft parkten zwei KTMs mit Hannoveraner Kennzeichen direkt vor dem Eingang. Cool, vielleicht kann ich mich heute Abend noch mit Leuten unterhalten.
Mein Zimmer hat mir sehr gut gefallen, groß, sauber, gefällig eingerichtet, ein Ort zum Wohlfühlen. Duschen, Umziehen und mal etwas Essbares jagen. In der Lobby saßen zwei Herren, ungefähr mein Alter, und tranken ein Bier. Einer der Herren sprach mich gleich an und fragte, ob ich der mit der GS sei. Als ich bejahte, lud er mich ein, mich zu ihnen zu setzen. Ich besorgte mir auch ein Bier, nahm Platz und nun begann ein anregender, unterhaltsamer Abend. Wir dinierten zusammen im Restaurant mit einer riesigen Fensterfront, die den Blick über einen Wald in ein weites Tal freigab.
Das Essen war ein Highlight, aber die Gespräche toppten das noch. Was ich an diesem Abend alles erfuhr, bezeichne ich mal als bereichernd. Wir verabredeten uns zum Frühstück.
Die beiden Hannoveraner waren auf dem TET in Richtung Nordkap unterwegs und sind über die Baltischen Staaten angereist. Für diesen Tag planten sie dem TET weiter nach Norden zu folgen, ein festes Ziel hatten sie nicht. Ich wollte noch mal kurz beim Weihnachtsmann anhalten und dann an die russische Grenze. Da der Übergang geschlossen war, ist das für mich eine Sackgasse, doch die Grenze wollte ich unbedingt erreichen. Das Bild hier oben habe ich in der Nacht um 1:00 Uhr aus meinem Zimmerfenster aufgenommen. Ich habe gedacht, dass mich das Licht der nun nicht mehr vollständig untergehenden Sonne nicht stören könne. Als ich um die Zeit immer noch nicht einschlafen konnte, habe ich die Bedeutung der Werbung mit lichtdichten Vorhängen in den Hotelbeschreibungen verstanden. Vorhang zu und Schwupps, war ich eingeschlafen.

Nach einem leckeren und reichhaltigen Frühstück wünschten meine Zufallsbekanntschaften und ich uns eine gute Weiterfahrt und gingen unserer Wege.

Die Straßen in Richtung russischer Grenze zeigten ihren meditativen Charakter, lange geradeaus und die Aussicht wechselte zwischen Wald und Wasser. Rentiere begegneten mir nun zu Hauf.
Ich habe anfangs die Tiere noch gezählt. Als ich dann aber eine große Herde direkt neben der Straße in einem Waldstück erblickte, habe ich das aufgegeben.
Hier dachte ich lange, ich hätte den ersten Elch gesehen. Ich war mir nicht sicher, das Geweih hatte ein wenig was von den Schaufeln, ein Rentier in dieser Größe hatte ich noch nicht gesehen. Das Fell war so dunkel wie das eines Elches, die ruhigen Bewegungen passten eher zu einem Rentier. Ich dachte, es sei ein sehr junges Tier, weil es für einen Elch doch recht klein war. Ich entschied, das war ein Elch. Als ich bei YouTube mein Video zu meiner Tour veröffentlichte, wurde ich eines Besseren belehrt. Es ist ein „kapitaler Rentierbock“ schrieb mir „Der Förster“ in den Kommentar.
Dieses Schild an der Straße, unweit der russischen Grenze, macht schon nachdenklich. Einige Zeit später tauchten auch Schilder auf, die das Fotografieren und den Einsatz von Drohnen untersagten.
Verkehrsschilder, die noch auf russische Orte hinweisen, die nun nicht mehr erreichbar sind. Hinweisschilder zu Hotels und Cafes sind verhängt oder übermalt. An den Straßen tauchen verlassene Häuser und geschlossene Geschäfte auf. Als sei alles eingefroren unter einer dicken Schicht von Machtgier und Menschenverachtung.
An der Grenze traf ich einen tschechischen Motorradfahrer. Wir haben uns nicht unterhalten, aber beide kopfschüttelnd vor dem Tor gestanden.

„Ich wollte hier Pipi hinterlassen
um Putins Wasser zu verpesten,
und hab es dann gelassen,
selbst das Wasser flieht nach Westen“

„Wenn man Stunden mit sich allein verbringt
Ist‘s schon erstaunlich was das Hirn ersinnt.“
Oh wie schön, dass es so einfache körperliche Bedürfnisse und Gelüste gibt, die mit einem kleinen, selbstgemalten Plakat so stark angesprochen werden, dass das Bremsen und Blinkersetzen, schwupps, einfach so passiert.
Nachdem ich auf der Suche nach einem geeigneten Abstellplatz ein mal komplett durch den Außenbereich des Cafés gefahren bin, habe ich einen Platz gefunden und, was noch viel schöner ist, nach 43 Jahren des Wartens, endlich einen Pulla gefunden.

Er hat zwar nicht ganz so gut geschmeckt, wie ich ihn in Erinnerung hatte, doch er war die Sünde wert.

Das Häuschen und der Schlitten waren auch richtige Hingucker.
Frisch gestärkt machte ich mich wieder auf Richtung Norden, leider auch wieder den dräuenden Wolken entgegen. Ich genoss noch einige schöne Ausblicke auf große Seen, musste mich dann aber beeilen, um in meine Regenjacke zu schlüpfen.
In einem Buswartehäuschen fand ich Unterschlupf für das Anziehen, auf einem Parkplatz stoppte ich, um meine Kameras abzubauen und zu verstauen. Ich fuhr direkt in eine Starkregen mit Gewitter. Die langsam fahrenden Autos vor mir hielten nach und nach alle an. Ich wollte hier einfach nur durch und fuhr weiter.
Als dann aber ein Baum vor mir auftauchte, der schräg über die Straße hing und noch nicht gesichert war, beschloss ich, bei der nächsten Unterkunft den Anker zu werfen.
Die erste Unterkunft, die ich sah, war das „Wilderness Hotel Inari“. Es hatte zwar aufgehört zu regnen, doch mein Bedürfnis nach Abenteuer und Feuchtigkeit war für diesen Tag gedeckt.
Ich parkte mein Moped und stapfte Richtung Rezeption, als ich aus den Augenwinkeln die beiden Motorräder aus Hannover erblickte. Ich habe mich richtig gefreut und war mit meiner Entscheidung, hier zu halten, mächtig zufrieden. Ich ergatterte ein tolles Zimmer, breitete meine Klamotten wieder zum Trocknen aus, machte mich selber stadtfein und suchte das Restaurant auf. Die beiden Hannoveraner waren sichtlich überrascht und schienen meine Freude zu teilen. Wir tranken ein Bierchen, berichteten von unseren Erlebnissen des Tages.

Die beiden waren direkt über den TET nach Norden gefahren und hatten den ganzen Tag keinen Tropfen Regen abbekommen. Ich hatte schon das Gefühl, die hielten meine Unwetterbeschreibung für übertrieben. Dann trafen drei deutsche Lehrer(innen) ein, sie fragten, ob wir auch durch dieses schreckliche Unwetter gefahren seien. Ich bestätigte.
Die Speisekarte bot Verlockendes und der Weg zu einer alternativen Nahrungsquelle schien nun schon viel zu weit. Wir speisten zusammen, genossen den Abend und führten nette Gespräche.

Am nächsten Morgen waren wir zum Frühstück verabredet.
Ich hatte aber vorher noch einen anderen Plan. Ich legte auf dem Weg zum Frühstücksbuffet einen Zwischenstopp an der Rezeption ein und verlängerte meinen Aufenthalt um eine Nacht.
Ich hatte in dem Bett so gut geschlafen, wie seit meiner Abreise nicht mehr, durch die Regentortour durch Schweden hatte ich einen Tag aufgeholt, also noch Zeit, bevor ich Bernd treffen sollte, und der Inari-See war ein Ziel auf meiner „Bucket List“.
Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich von meinen neuen Bekannten und ich fand es richtig schade, dass wir uns wohl nie wiedersehen werden.

Auf dem Parkplatz des Hotels standen an den zwei Tagen, die ich hier war, Motorräder aus Spanien, Griechenland und sogar der Türkei. Ich war beeindruckt von den Strecken, die einige hier schon hinter sich gebracht haben. Ich habe erst später erfahren, dass sich einige hier rumtummeln, die ihre Motorräder mit einem LKW oder Lufttransport nach Oslo oder Bergen bringen lassen.
Ich genoss den herrlich sonnigen Tag am See und im Hotel. Irgendwie habe ich wohl meine Seele nachkommen lassen müssen.
Am Abend habe ich dann noch Rentierfleisch probiert und fand es ausgesprochen lecker. Die Bedienung, die sich toll um unseren und am zweiten Tag, um meinen Tisch kümmerte, ermutigte mich, es mal zu probieren. Sie meinte, es sei halt das typischste Essen für die Region und ich würde es nicht bereuen. Sie behielt Recht.
Cooles Glas. :-)
Nach dem tollen Frühstück empfing mich die Straße mit allerbestem Wetter und ich strahlte mit der Sonne um die Wette.

"Nordkap, ich komme". Mein heutiges Ziel: Honningsvåg und das Nordkap.

An dieser Abzweigung wird das Ziel schon mit Entfernungsangabe angezeigt, nur noch 343 km.
Es folgen wieder sehr lange Meditationsstrecken, dieses Mal jedoch bei hellem Licht mit hellen Gedanken. Ich surfte schon auf einer Welle der Begeisterung bei dem Gedanken, mir heute einen so großen Lebenstraum zu erfüllen.
In dieser Stimmung erlebte ich dann noch einen sehr besonderen Moment. Auf der Suche nach einer Tankstelle sah ich auf der linken Seite eine Ansammlung von Menschen, Bussen und PKWs. Ich vermutete dort eine Tankstelle, setzte den Blinker und bog ab. Dann erblickte ich hinter einem Bus ein Café und vor dem Café die beiden KTMs aus Hannover. P. und H. saßen vor dem Café in der Sonne und genossen ihren Kaffee. Sie waren genau so überrascht und ich fand, auch so angenehm berührt von diesem neuerlichen extrem zufälligen Treffen. Sie waren einen Tag vor mir aufgebrochen, befuhren eher Nebenstrecken oder Wege, trotzdem saßen wir nun wieder beisammen und genossen Wetter und Kaffee.
Die beiden waren am Tag zuvor am Nordkap, fanden es auch nett, das Ziel erreicht zu haben und berichteten von der extremen Anzahl der Wohnmobile an diesem Sehnsuchtsort. H. meinte, dort stehe eine Jahresproduktion von Wohnmobilen. Als wir uns nun verabschiedeten, nahmen wir uns herzlich in den Arm und ich hatte das Gefühl, uns verbindet eine ehrliche Zuneigung und Wertschätzung. Das sind Begegnungen, die mein Leben bereichern, wir werden uns vermutlich nicht wiedersehen, aber ich bin sicher, ich werde noch Situationen erleben, in denen ich an die beiden denke.
Wenn alles nach Plan läuft, sind sie nun auf dem Weg zum „Kap Agulhas“, dem südlichsten Punkt Afrikas (Kap to Kap).
Ich drücke Euch die Daumen für eine schöne, unfallfreie Reise mit tollen Begegnungen.
Nun habe ich den Porsagerfjord erreicht. Er ist 123 km lang und mündet in die Barentssee. Dieses nördlichste Gewässer, das ich auf dem Landweg erreichen kann, gehörte ebenfalls auf meine „Bucket List“. Haken dran, und zum Nordkap ist es nun auch nicht mehr weit. Der Fjord hat mich sehr beeindruckt, zum einen mag es an dem Wetter gelegen haben, die Sonne verlieh der Szenerie einen sehr besonderen Glanz, zum anderen, weil es wieder ein Meilenstein meiner Reise war und sich eine große Zufriedenheit in mir ausbreitete. Es roch angenehm nach Salz und Meer.
Auf einer der Sandbänke glaubte ich ein Rentier gesehen zu haben, mal etwas anderes, statt Seehunde liegen hier Rentiere im Sand.
Die letzten Meter auf der baumlosen Hochebene vor dem Nordkap. Hier hatte ich schon mit deutlich mehr Verkehrsaufkommen gerechnet, war aber froh, diese Landschaft in Ruhe alleine genießen zu können.
„Sie haben Ihr Ziel erreicht!“ Hier muss ich meine GS abstellen, legal komme ich mit ihr nicht weiter nach Norden. Mein Gepäck habe ich schon in Honningsvåg im Hotel abgestellt, darum ist die GS so unbeschwert. Jetzt ein Erinnerungsfoto für mich und für meine BMW-Vertragswerkstatt in Drochtersen mit der Bitte um einen Termin für eine Inspektion. Mein Moped hat sie sich verdient.
Nun weiter auf Schusters Rappen bis zum Globus auf dem Nordkapplateau. Ich war so froh, dass hier gerade nicht so viele Menschen unterwegs waren. Ich konnte diesen, für mich sehr besonderen Moment, in Ruhe genießen und die Eindrücke und Ausblicke in mich aufnehmen.
Ich schaute auf das Meer in der Hoffnung, irgendwie noch einen Wal zu sehen, aber außer dem erfrischenden Wind erfuhr ich keine weitere Belohnung.
Durst und das Bedürfnis nach einem WC trieben mich zu dem Informationszentrum „Nordkaphalle“. Hier holte mich die Realität brutal ein. Um das Gebäude betreten zu können, ist ein Eintritt fällig. Eine Flasche Wasser, zum Greifen nah, wurde für mich unerreichbar. Nach dem Marsch zum Globus hatte ich schon reichlich Aua in der Hüfte. Nun musste ich um das ganze Gebäude herum, um eine Eintrittskarte zu kaufen. Auf halbem Wege fand ich eine geöffnete Toilette, das Problem war gelöst. Auf ein Getränk hier verzichtete ich. Ich fuhr zurück nach Honningsvåg und wollte dort etwas Essbares und ein Getränk ergattern.
In der nun schon tief stehenden Sonne hat mich das kleine Fischerdorf sehr beeindruckt. Die Farben und die Lage, toll. Später erfuhr ich, dass diese kleinen alten Fischerhütten als Ferienhäuser vermietet werden. Sie sind über einen kleinen Holzsteg erreichbar.
In Honningsvåg fuhr ich einen kleinen Umweg durch den Hafen zu meinem Hotel.
Ich hatte im "Arctic Hotel" schon von zuhause aus gebucht.
Nachdem ich mich ein wenig stadtfein gemacht hatte, suchte ich in meinem Handy nach einer Nahrungsquelle. Es wurde ein Restaurant angezeigt mit asiatischer und einheimischer Küche, Preise bis ca. 30 €, und auf der Speisekarte standen Königskrabben. Ich war begeistert, Königskrabben stehen seit Jahren sehr weit oben auf der Liste der Dinge, die ich gerne probieren möchte 30 €: Ich bin bereit den Betrag zu investieren. Das Restaurant war direkt neben meinem Hotel und entpuppte sich als Imbiss mit Sitzgelegenheiten. Die Speisekarte war reichhaltig und die Preisangaben deckten sich mit den Angaben im Handy, bis auf eine Ausnahme, die Königskrabben. Diese waren extra plakatiert und sollten für 500 g umgerechnet etwa 105,00 € kosten.
Nun startete das Kopfkino: was, wenn ich die nicht mag oder nicht vertrage, so wie Muscheln, so viel Geld für ein geschätztes Nettogewicht von ca. 200 g, nein, das ist mir die Erfahrung nicht wert. Ich bestellte „Fish and Chips“ und war damit und dem gesparten Geld sehr zufrieden.
Mein Bruder betreibt ein Fischrestaurant und räuchert über Buchenholz u. A. norwegischen Lachs. Er konnte meine Entscheidung nicht nachvollziehen. Es sei doch eine einmalige Gelegenheit die Krebse frisch zu essen, keine TK-Ware und der Geschmack sei eine Offenbarung, er riet mir meine Entscheidung zu überdenken.
Vorab, ich habe es auch an den nächsten beiden Tagen an denen die Chance bestand nicht übers Herz gebracht.
Heute war es soweit: Bernd sollte im Laufe des Tages am Nordkap auftauchen und wir würden uns dort treffen.
Ich hatte so gar keinen Plan, was ich bis zu einer Ankunft so unternehmen wollte Also genoss ich in aller Ruhe mein Frühstück. Da der Toaster eine Ewigkeit benötigte, um das Brot etwas aufzupeppen, fiel das Mahl für mich etwas schmaler aus.
Ich schwang mich in die Motorradklamotten und beschloss die Straßen, die nach Norden führen, alle bis zum Ende zu fahren. So landete ich dann in Skarsvåg und war überrascht von den vielen Rentieren im Ort. Sie nahmen sich die Zeit, sich von mir fotografieren zu lassen. Ich drehte noch eine Runde durch den kleinen Hafen und machte mich dann auf den Weg nach Gjesvær. Der Weg dorthin war irgendwie unwirklich, obwohl die Sonne schien, sorgte ein kalter Wind für Abkühlung. Die Landschaft war so rau und karg, dass ich bei einer Frage nach der aktuellen Jahreszeit nicht unbedingt auf Sommer gekommen wäre. Am Straßenrand entdeckte ich große Flächen mit Wollgras. Das kannte ich aus der Hardangervidda und genau an diese Landschaft erinnerte mich die Gegend hier.
Ich bin dann noch mal nach Skarsvåg gefahren. Auf meinen Exkursionen habe ich keine andere Möglichkeit für die Aufnahme eines Kaffees gefunden. Als ich im „Nordkap Jul & Vinterhus“ ankam, verabschiedete sich gerade eine Reisegruppe zurück in ihren Bus. Das war so ganz nach meinem Geschmack. Ich betrat das Geschäft quasi von hinten, vom Parkplatz über die Terrasse in den Gastraum. Erst als ich die Toilette aufsuchte, entdeckte ich die Abteilung „Weihnachtsbasteleien“. Das war der eigentliche Besuchermagnet dieses Hauses. Königskrabben standen hier auch wieder auf der Karte, der Preis war jedoch fast gleich. Ich verzichtete darauf. Von den leckeren Waffeln mit Himbeermarmelade schaffte ich jedoch zwei und auch von dem Kaffee. Als ich so auf der Terrasse in der Sonne vor mich hinträumte, kam die Bedienung zu mir. Sie machte mir deutlich das ich jetzt noch etwas bestellen und in Ruhe auf der Terrasse verzehren könne, doch sie würde das Geschäft jetzt schließen.
Ich hatte alles, was ich brauchte, blieb noch in der Sonne sitzen und beobachtete die beiden Rentiere die sozusagen zu meinen Füßen, grasten. Eine Frau machte Fotos von den Tieren und, als ich zu ihr herübersah entschuldigte sie sich bei mir. Ich signalisierte, dass ich keinen Grund für eine Entschuldigung sah, doch sie meinte, sie habe mich heimlich fotografiert, in meinem pinkfarben gebatikten „Fahrshirt“ und meinem zufrieden in die Sonne gestrecktem Bauch und an diesem Ort, müsste ich einfach der Weihnachtsmann sein. Wir mussten beide herzhaft lachen.
Bevor ich diesen Ort verließ, schaute ich mir die zum Trocknen aufgehängten Fische an. Wie gut, dass der Geruch nicht mit den Fotos transportiert wird, für die meisten Betrachter wäre das Interesse jetzt verschwunden.

Immer noch auf eine Nachricht wartend, machte ich noch einen Abstecher zum Flughafen von Honningsvåg und beobachtete einen Start.

Nun war es endlich so weit, ich habe Bernd am Nordkap getroffen und wir ließen uns gemeinsam am Globus ablichten.
Nach diesem kleinen Fotoshooting ist die Gruppe zum Abendessen ins Hotel gefahren, ich schloss mich der Gruppe an.
Gegen 20:00 Uhr machten wir uns dann noch einmal auf den Weg zum Nordkap, Fotos in der Abendsonne und ein kleiner Bummel durch den Souvenirladen standen noch auf dem Zettel.

Wir genossen die Abendstimmung, verdrückten uns aber rechtzeitig, bevor die Busse ihre Fracht zur Mittsommernachtsfotosession auf den Parkplatz ausspuckten. Es war zum einen die Anzahl der Leute, zum anderen aber auch die Form der Auftritte der Gruppen, die den Abschied verschmerzbar gestalteten. Der absolute Kracher war eine Reisegruppe aus Österreich. Das Aussteigen und der Beginn einer Ansage wurde jeweils von einem auf einem Akkordeon gespielten Liedes eingeleitet. Für einen Norddeutschen fällt das dann schon in die Kategorie „Musik kann auch grausam sein“.
Ein letzter Blick auf die Barentssee und dann ab zu unseren Hotels, auch wenn es hier nicht so aussieht, es war schon recht spät am Abend.
Beeindruckend, die langen Schatten die wir warfen.
Etwas später als geplant startete ich mit dem Frühstück. Der Toaster hatte kein Update erhalten, so mussten die Kunstwerke an den Wänden und der Decke ein wenig Starthilfe in den Tag leisten.
Obwohl ich recht spät startete, holte ich die Gruppe, mit der Bernd fuhr, noch ein und überholte sie. Bernd E. sagt immer: „Je größer die Gruppe desto kleiner die Durchschnittsgeschwindigkeit.“ Das traf hier wohl offensichtlich zu.
Ich zog im Rahmen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf der langen Geraden, die die Sicht auf Fahrzeuge des Folgetages zuzulassen schien, an der Gruppe vorbei. Bernd und ich winkten uns noch zu und freuten uns auf den nächsten Donnerstag in der übernächsten Woche, dem voraussichtlichen Tag, an dem wir uns in unserer Stammkneipe wiedersehen.
Das Wetter war so schön, ich kam gut voran, also entschied ich einen Abstecher in die nördlichste Stadt Europas einzubauen. Ich bog ab auf die 94 mit dem Ziel Hammerfest.
Ich hatte irgendwo ein Foto von der „Kvalsundbrua“ gesehen und wollte die gerne mal erfahren.
Es war wie so oft, Rentierpipi auf der Straße, dann sind die Tiere nicht weit. Das sie sich jedoch mitten auf dieser Brücke aufhalten, hätte ich nicht erwartet.
In Hammerfest habe ich dann eine für mich typische Stadtrundfahrt gemacht. Maximal drei Mal mit dem Fuß die Erde berühren, das muss reichen. Schnell noch ein Foto vom Postschiff, die Kirche ist, bei Bedarf im Video zu sehen, und wieder weg, ab in die weite Landschaft.
Ich bin auf meiner Tour selten umgekehrt, um etwas zu betrachten oder zu fotografieren, doch bei der „Kåfjordbrua“ habe ich eine Ausnahme gemacht. Als ich diese elegante Brücke überfuhr waren die Speicherkarten meiner Kameras gerade voll. Ich stoppte, bestückte meine Kameras mit neuen Speichern, wendete und überfuhr die Brücke noch einmal.
An diesem Tag bin ich 482 km gefahren. Ich war lange unterwegs, es war streckenweise sehr warm und ich habe viel geschwitzt. Zum Abend hin wurde der Himmel dunkler, es sah aus, als wenn es bald regnen solle. Darauf hatte ich keine Lust. Als ich an der Straße „Henriksen Gjestestue AS“ erblickte, bog ich ab und fragte dort nach einem Zimmer.
Der Herr hinter dem Tresen meinte, er hätte noch ein Zimmer frei, der Preis war ok. Das Zimmer war zwar nicht sehr groß, doch sauber und zweckmäßig mit neuen Ikea Möbeln ausgestattet. Zum Essen musste ich noch ein paar Meter fahren. Im Restaurant saß ich dann auf einem Balkon mit Aussicht über den Hafen. Als ich das mit Selbstbedienung und der etwas merkwürdigen Bestellabwicklungslogistik abgerafft hatte, musste ich nur noch lange warten, bis der Burger dann fertig war. Die Wartezeit wurde jedoch durch ein Ehepaar verkürzt, das mich vom Vorabend aus dem Hotel bei Honningsvåg wiedererkannte und ein Gespräch mit mir begann. Sie mussten ebenfalls lange warten und hatten, obwohl sie einen Hund dabeihatten, noch Interesse an Zweibeinern.

Auf dem Parkplatz neben meinem Moped übernachtete eine Enduro mit einer Sonderlackierung. Der Name des Fahrers stand auf dem Tank. Er hatte ein deutsches Kennzeichen, sprach jedoch nur Englisch und hatte leider kein Interesse an einer Konversation. „Khalid al Jaber
Mein Gefühl und die Wetterapp waren sich einig und behielten recht. In der Nacht begann es zu regnen. Ich zog das Frühstück ein wenig in die Länge, zum einen, weil ich immer noch auf Wetterbesserung hoffte, zum anderen, weil ich mich nicht so recht entscheiden konnte ob ich außer Kaffee und Orangensaft noch irgendetwas Überzeugendes in dem Angebot fand.

In Regenjacke machte ich mich auf den Weg weiter nach Süden und folgte der E6. So viele Alternativen gibt es hier ja nicht. Norwegen ist zwischen der schwedischen Grenze und der Küste recht schmal. In Olderdalen nutzte ich die Wartezeit, um mir ein Wasser zu kaufen und in den Kaffee vom Frühstück in einer beheizten und trockenen Toilette zu recyceln.
Die Wartezeit wurde auf großen Monitoren angezeigt, und ich übte mich in Geduld. Ich hatte keine Idee, wie lange die Überfahrt dauern würde, was ich jedoch wusste war, es ist sehr windig, es wird mächtig schaukeln und irgendwann kommt der Punkt, wo ich evtl. auch das Kneippbrot vom Frühstück recyclen müsste. Da hatte ich so gar keine Lust drauf. Zum Glück trafen zwei Motorradfahrer aus Deutschland ein, stellten ihre Mopeds hinter meines und wir kamen ins Gespräch. Ein gemischtes Duo, einer aus Hamburg und der andere aus Passau. Beide sprachen ihren typischen Dialekt. Als der Regen noch heftiger wurde, beendeten wir unser Gespräch, duckten uns auf unseren Mopeds und freuten uns, als die Fähre endlich kam. Leider gab es auf der Fähre keinen überdachten Stellplatz. Obwohl wir ein wenig befürchteten, die Mopeds könnten umkippen, verkrümelten wir uns in den geheizten Aufenthaltsraum. Die 20-minütige Überfahr kam mir ausgesprochen lang vor. Ich warf immer wieder einen Kontrollblick zu den Motorrädern, dafür müsste ich leider nach draußen und es schüttete wie aus Eimern. Irgendwann tauchten wir in den Windschatten des gegenüberliegenden Ufers ein und der Wind schwächte ab, der Seegang ebenso, was ich sehr genoss.
Am anderen Ufer, in Lyngseidet, trennten sich unsere Wege dann wieder.
Ich traf irgendwann wieder auf die E6 und folgte ihr eine Zeit lang. Mein Navi signalisierte das eine oder andere Mal, ich solle nach recht abbiegen, die Abzweigungen sahen aber eher aus wie Parkbuchten und ich war mir nicht sicher, ob es immer so kleine Abstecher in die Pampa waren, wie Kurviger das manchmal in Ortschaften einbaut, nach dem Motto, für eine Kurve mehr geht’s dann auch schon mal durch die Anwohnerstraße. Als ich mal wieder eine kurze Pause einlegen wollte, folgte ich der Anweisung und fand mich auf einer sehr schmalen Straße in schlechtem Zustand wieder. Ich beschloss, dieser Straße zu folgen, dachte aber immer, wenn mir hier etwas passiert, findet man mich erst in der Pilzsaison wieder. Ich vermute, es war ein sehr alter Teil der E6. Sehr kurvenreich und absolut in der Natur.
Als dieser Weg dann wieder auf eine Straße führte, meinte mein Navi, ich solle nach rechts auf die neue Straße abbiegen. Habe ich dann auch gemacht. Nach fünfzig Metern bekam ich die Ansage: „Wenn möglich bitte wenden“. Ich suchte auf dieser abschüssigen, gebogenen Straße eine geeignete Stelle. Ich konnte weit vorausschauen, von hinten kam kein Auto, also Wenden. Diese Aktion habe ich bei zwei ADAC-Sicherheitstrainings, einem ADAC-Aufbautraining und einem ADAC-Perfektionstrainig mehrfach ohne Probleme geübt, doch heute: verschaltet. Die Möhre kippte zur falschen Seite, Bein zu kurz und „Fly like an Eagle…“ ging mir durch den Kopf.
Nun griffen die Reflexe, Aufstehen, alles heil, Karre aus, hat sie schon selber erledigt, Karre aufrichten. Hintern an die Sitzbank, rechte Hand an den Haltegriff, linke Hand an den eingeschlagenen Lenker, aus der Hocke mit dem Hintern das Moped hochdrücken. Grinsen ins Gesicht zaubern und dann erkennen, habe vergessen den Seitenständer auszuklappen und komme aus meiner Position nicht selber daran.
Ich habe dann dem Fahrer des nächsten Fahrzeugs, einem Wohnmobil, signalisiert, dass ich Hilfe benötige. Er hat reagiert, den Ständer ausgeklappt und ich konnte dann das Moped abstellen. Im Video ist zu sehen wie viele Autofahrer, an meiner „Umfallstelle“ vorbeigefahren sind, ohne Hilfe anzubieten. Ein solches Verhalten habe ich in Norwegen nicht erwartet. Ich glaube nicht, dass es alles Urlauber waren.
OK, Klamotten abklopfen, Krone richten und weiter geht die Fahrt.
Beim letzten Tankstopp habe ich dann doch gemerkt, dass mir die Rippen ein wenig weh tun und mein Schienbein wohl auch eine Prellung davongetragen hat.
Bis auf die Lofoten ist es nun auch nicht mehr weit. Dort habe ich aber erst für den nächsten Tag eine Unterkunft für zwei Nächte gebucht. Ich denke, ich lasse es für heute mal gut sein. Bis Narvik ist es nicht mehr weit! Ich suche mir dort ein Zimmer und ruhe mich etwas von dem Umfaller aus.

Direkt vor Narvik fuhr ich über die beeindruckend große „Hålogalandbrua“



Im „Thon Hotel Narvik“ fand ich ein einfaches, preiswertes Zimmer. Das Restaurant war wieder mal geschlossen, aber es gab ein Tagesgericht. Als mein Essen kam, wurde auch ein anderer Gast am Nebentisch bedient. Wir erkannten, dass wir beide aus Deutschland waren, und beschlossen, gemeinsam zu speisen. Er war auch mit dem Motorrad am Nordkap, hatte aber eine interessante Anreise. Er ist mit seiner Frau und dem Motorrad von Bergen bis Hammerfest gefahren. Er ist dann mit dem Motorrad weiter und seine Frau wieder nach Hause.
Beim Packen meines Motorrades hatte ich an diesem Tag merkwürdige Gedanken und Gefühle. In den vorherigen Hotels wurde ich schon einige Male vom Frühstück verwöhnt, dieser Status wurde heute nicht erreicht. Das Wetter konnte sich noch nicht so freundlich zeigen, wie ich es erhofft und der Ankündigung entnommen hatte. Meine Freunde, ihre Sprüche und Scherze, die ich an den vorangegangenen Tagen gelegentlich vermisste, fehlten mir heute gar nicht. Meine Rippen verrieten mir bei jedem Atemzug ihre genaue Position, Niesen und Husten reichten mir schon für eine Intensivierung des Gefühls, auf Lachen konnte ich gut verzichten. In diese, eher dunkle Stimmung, mischte sich aber immer stärker die Vorfreude auf die Lofoten, mein Ziel des heutigen Tages. Als ich dann endlich wieder auf der Straße war, kehrte sich alles ins Positive. Meine Atmung wurde ruhiger, das unangenehme Gefühl im Bereich meiner Rippen nahm deutlich ab. Die Wolken gaben der Sonne immer mehr Raum und auf der Strecke boten sich sehr schöne Ausblicke auf den Ofotfjord.
Bei einigen Motorradfahrern, insbesondere denen, die noch nicht so weit in Norwegen unterwegs waren, scheint die Erwähnung der E6 oder der E10 so etwas wie eine Assoziation mit E605 zu schüren. Mangels Alternativen, und vor allem wegen der teilweise extrem schönen Landschaften kann ich diese Ablehnung nicht mehr teilen.
Dieses Arrangement von Baumaschinen mit dem netten Plakat hat mich schwer beeindruckt. In einer Region, in der der Sommer sehr kurz und der Winter sehr hart sein kann, sind die Sommermonate für die Straßenbauer bestimmt sehr wertvoll. In der Zeit dann Betriebsferien zu machen, ist schon cool. Wenn man jedoch die extremen Unterschiede in der Umsetzungsgeschwindigkeit für die Baumaßnahmen mit denen in Deutschland vergleicht, können die Norweger sich das locker leisten.
In Norwegen stellt man von einem auf das andere Jahr fest, dass ein kompletter Tunnel oder eine neue Brücke errichtet wurde, bei uns werden gerade verlaufende Bundesstraßen für mehrere Monate gesperrt, um die Teerdecke zu erneuern. Für mich als Laien schwer nachvollziehbar.
Jetzt geht’s los, die ersten Aussichten auf das Meer, das blau und türkis leuchtet. Mir schießt, jetzt, im Nachhinein die Bezeichnung „Karibu-Karibik“ in den Kopf.
Diese Wordschöpfung habe ich im Artikel „Norwegen, Teil 2: Karibu-Karibikvon Lars Wennersheide, seiner Frau Anke und Tochter Tessa, in der Zeitschrift „Tourenfahrer“, Ausgabe 10/24, gelesen und ich finde es ist eine perfekte Beschreibung.
Ich bin Abonnent der Zeitschrift, und Käufer seit der ersten Ausgabe, als sie noch „Motorrad Reisen“ hieß.
Viele meiner Touren wurden durch Beiträge aus der Zeitschrift bereichert.
An dieser Haltebucht überraschte mich diese fantastische Aussicht. Ich brummelte mir das so in den Bart und machte meinen Fotoapparat startklar. In der Zwischenzeit hatte sich ein Mann zu mir gesellt und bestätigte meine Äußerung. „Ja“, meine er, „wie bei uns zuhause, Berge, Kurven, Tunnel, aber das Meer dabei, wunderschön.“
Ich sah ihn an und meinte: „Wie bei uns zuhause, das Meer, der Salzgeruch, aber die Berge, die Kurven und die Tunnel dabei, wunderschön“.
Wir lachten zusammen und stellten dann fest, er kam aus der Schweiz und ich bin ein Nordseeküstenkind.
Bei perfektem Wetter erfuhr ich die Straßen bis zu meiner Unterkunft in Ballstad. Wochen vor meiner Tour wollte ich mir unbedingt eine Unterkunft auf den Lofoten sichern. Ich hatte schnell erkannt, dass in meiner geplanten Reisezeit das Angebot an bezahlbarem oder zumutbarem Wohnraum sehr knapp war. Als ich endlich etwas gefunden habe, klickte ich auf „Buchen“ und war mit Lage, Preis und Zeit schon genug ausgelastet. Die Details zur Unterkunft wollte ich mir später ansehen. Später, das war irgendwie jetzt, als ich vor der Hütte stand und mich fragte, was denn nun meine Unterkunft sein solle.
An dem Hafenbecken und dem Platz, auf den mich mein Navi lotste, standen mehrere Fischerhütten, und auf einer steckte ein Schlüssel, das Zeichen für frei. Ein Blick in meine Unterlagen bestätigte, ich hatte für zwei Nächte, eine ganze Hütte gemietet, mit Platz für 6 Personen, cool.
Mein Gepäck musste ich dieses Mal nicht in besonderer Weise abstellen, um selber noch bis zum Bett zu gelangen. Ich hatte Platz ohne Ende. Ich konnte sogar die zum Teil noch feuchten Klamotten zum Trocknen auf Stühlen drapieren.
Für die folgenden zwei Tage, die ich hier verbringen wollte, war schlechtes Wetter angesagt. Ich entschied spontan, sofort wieder aufs Motorrad zu steigen und bis an die Südspitze der Inselgruppe zu fahren, um das gute Wetter auszunutzen. Den Ort Å wollte ich unbedingt erreichen, und notfalls erde ich dann am nächsten Tag ein „Notprogramm“ fahren, ohne mich zu ärgern.
Ich machte mich auf den Weg und deckte mich mit Einkäufen für die Zeit hier ein. Kaffee, Brot, Abendessen, ein Bierchen und was mir sonst noch sinnvoll erschien.
Dann fuhr ich bis nach Å und schoss das Foto, auf das ich mich schon freute. Anderen Motorradfahrern schien es auch so zu gehen. Vor dem Ortsschild war neben der Fahrbahn eine Lunke, die eine Geschichte von vielen anhaltenden Motorrädern hätte erzählen können. Im Staub waren jede Menge Reifen- und Stiefelabdrücke. Auf meinem Rückweg standen an der Stelle gerade Motorradfahrer aus GB und winkten mir zu.
Auf dem Hinweg war mir schon das Ortsschild „Bø“ aufgefallen. Von da an hatte ich einen Ohrwurm von „Ritter Rost“ und dem „Burgfräulein Bö“ im Kopf. Eltern mit Kindern, die jetzt etwas über 20 Jahre alt sind, kennen bestimmt das Kindermusical „Ritter Rost“, falls nicht, da ist Dir was entgangen. :-)
Für Deinen persönlichen Ohrwurm: Burgfräulein Bö - Das Rap-Huhn
Allein schon die Erinnerungen an die Autofahrten mit der Beschallung von den Ritter Rost zauberten mir ein Grinsen ins Gesicht, und die Landschaften, das Farbenspiel und das tolle Wetter ließen es noch breiter werden.

Hier ein paar Fotos von Reine, dem wohl am häufigsten fotografiertem Ort auf den Lofoten. Die Gäste von Kreuzfahrtschiffen landen in Leknes und werden dann mit Bussen nach Reine transportiert.
Mein Heimweg führte mich am „Skagsanden beach“ vorbei, schöner weißer Sandstrand, ein Magnet für Wohnmobilisten.
Auf der E10 durch Bø, dem Ort mit geschätzen 10 Häusern um die „Morpheus Beach“. Besonders in der nun tiefer stehenden Sonne ein traumhafter Anblick der mich eine höherwertige Kamera vermissen lässt.
Ein Kunstwerk an der Stirnseite der Nachbarhütte.
Nach der Tour habe ich mir einen Kaffee und dazu ein Kneippbrot mit Himbeermarmelade gegönnt.
Das weckte schöne Erinnerungen an eine verregnete Norwegentour vor 34 Jahren mit meiner Frau als Sozia auf unserer XS 1100 mit Windjammerverkleidung.
Beim Naschen kreisen so meine Gedanken. Wir lästern über die XS als Eisenschwein mit 261 kg Leergewicht und preisen die GS 1200 als modernes Motorrad mit nur 238 kg, dumm nur, dass ich schuld daran bin, dass das Bruttogewicht jetzt höher ist als damals. Ich lasse die nächste Scheibe einfach in der Tüte.
Da es immer noch nicht wirklich dunkel wird, verschiebt sich das Abendessen auf einen sehr späten Zeitpunkt. Morgen soll es ja regnen, und ich bestimme, wann es Frühstück gibt, also gehe ich sehr spät ins Bett.
Am Morgen schlage ich meine Augen auf und die Decke zur Seite, gefasst auf dunkle Wolken und Regen, aber die Sonne strahlt mir ins Gesicht, Planänderung!

Es wird doch ein Fahrtag. Ein schnelles Frühstück, weit weg von dem Luxus der letzten Tage, aber trotzdem nach meinem Geschmack und ab in die Klamotten. Wenn ich diesen Tag geschenkt bekomme, dann fahre ich zum Fußballstadion in Henningsvær. Ich möchte auch so eine tolle Drohnenaufnahme von diesem besonderen Platz machen.
Technik verstaut und ab geht die wilde Fahrt. In dem Laden, in dem ich am Vortag eingekauft habe, versuche ich noch Nähzeug zu bekommen. Ein Klettverschluss meiner Hose hat sich gelöst, kein Drama, aber nervig. Das Nähzeug habe ich nicht gefunden, dafür aber ein interessantes Pärchen mit Hund und Campingbus.
Ich habe mich mit den beiden unterhalten und mal spekuliert, Lehrer? Wer hat sonst schon die Zeit, so weit mit einem so kleinen Fahrzeug zu fahren. Nein, normale Arbeitnehmer mit unbezahltem Urlaub für die Erfüllung eines Lebenstraums. Respekt!
Es war sehr heiß, und das Paar kaufte eine große Tüte Eiswürfel. Ich dachte natürlich für Getränke, doch nein, das Eis bekam der Hund zum Schlecken und zum Spielen, um sich abzukühlen. Coole Aktion, fand ich. Wir haben uns noch einen Moment nett unterhalten und ich habe die beiden an dem Tag noch mehrfach getroffen.
Da war sie wieder, die „Karibu-Karibik“, eine tolle Beschreibung. Der Strand tauchte plötzlich neben der Straße auf. Weißer Sand, türkisfarbenes Wasser, perfekt fürs Auge und für kälteunempfindliche Badegäste.
An dieser Stelle konnte ich mich nicht entscheiden, sehe ich nach rechts in die Badebucht oder nach links in den farbenprächtigen See.
Mein Besuch in Henningsvær war ein Reinfall. Der Ort war völlig überlaufen. Weit vor dem Ort war nur noch Stopp and Go, im Ort liefen so viele Menschen rum, dass ich nur im Schneckentempo zum Sportplatz kam, und dort war an ein Drohnesteigenlassen kein Gedanke zu verschwenden. Bei so vielen Menschen habe ich mich nicht getraut, das Teil auszupacken. Ganz im Gegenteil, ich war so gefrustet, dass ich ohne anzuhalten gewendet habe und den Rückweg angetreten bin.
Später habe ich erfahren, dass in Henningsvær wohl ein OpenAir-konzert stattfand und der Ort deshalb so extrem belagert war. Egal, die Strecke hin und auch zurück war es wert, gefahren worden zu sein.
Aus der anderen Richtung war der See noch schöner. Ich finde, es ist eines der schönsten Fotos meiner ganzen Reise.
Bei diesem Foto habe ich weniger an den Verpackungskünstler Christo als an einen Bekannten gedacht. Der erzählt immer, dass er endlich mal seinen alten Bagger zum Laufen bringen will. Ich wollte ihm mal zeigen, wie Norweger mit ihren „Schätzen“ umgehen.
An dieser Stelle habe ich einen Fotostopp eingelegt und die Drohne ausgepackt. Ich wollte wenigstens das Gefühl haben, das Teil nicht umsonst mitgeschleppt zu haben.
Ich suchte mir einen schattigen Platz unter einem Baum, um mein Handy ablesen zu können, machte die Drohne startklar und absolvierte einen, wie ich fand, perfekten Flug. Nicht zu hektisch, am interessanten Drehort, mir gelang auch eine bruchfreie Landung, doch dann überkam mich der richtige Frust. Die Aufnahmen waren total überbelichtet und ich habe es nicht hinbekommen, vernünftige Aufnahmen zu erstellen. Das Problem hatte ich nun das erste Mal, andere Probleme dafür schon häufiger. Meine Dohne und ich werden wohl nie richtige Partner.
Wieder an „meiner“ Hütte, genoss ich die Aussicht und das schöne Wetter vor meiner Hütte und bedauerte ein wenig, dass ich am nächsten Tag schon wieder weiterfahren muss.
Am Fähranleger in Moskenes tobte das totale Chaos. Die Spuren für Fahrzeuge ohne Reservierung waren voll, die für mit Reservierungen leer. Die Zufahrtstraße war komplett verstopft. Selbst die Autos von der Fähre konnten den Hafenbereich nur sehr mühsam verlassen. Die Reisenden kamen aus allen möglichen Ländern und bewegten vorwiegend raumgreifende Wohnmobile. Schnell einigten sich alle Beteiligten auf Englisch als die Sprache, in der man sich nun Flüche und Schimpfwörter an den Kopf warf. Kindern wurden die Ohren zugehalten und, sonst so friedliche Urlauber wurden zu Monstern. Ich hatte ja reserviert und betrachtete, mich mit entspannten Wohnmobilisten aus Deutschland unterhaltend, die Szenerie. Meine Gesprächspartner und ich schüttelten die Köpfe. Die Leute verhielten sich, als müssten sie den Rest ihres Lebens auf den Lofoten verbringen, wenn sie jetzt diese Fähre nicht bekommen, ohne zu wissen, ob nicht alle doch noch Platz finden.
Die Partnerin meines Plauschpartners meinte, sie müsse jetzt mal mitschreiben, so viele neue Schimpfwörter könne man sonst nur in einem längeren Kurs lernen.
Ältere Herren, kurze Hose, weiße Socken in Sandalen, also wahrscheinlich Engländer oder Deutsche, dokumentierten mit ihren Handys per Foto und Video die Auseinandersetzungen und Parkpositionen zur Beweissicherung.
Ich konnte dann in die Spur für Fahrzeuge mit Reservierung aufrücken und hatte dort zwischen anderen Motorradfahrern aus Deutschland und Schweden nette Gespräche.
Ein paar Abschiedsbilder von den Lofoten aus dem Hafen von Moskens.
Die Überfahrt war erstaunlich ruhig. Die Gemüter hatten sich abgekühlt, viele waren jetzt so erschöpft, dass sie in den Ruhesesseln vor sich hindösten oder schliefen.
Ich hatte am Heck des Schiffes unter einem Überstand einen Sitzplatz im halbwegs Trockenen ergattert. Andere Motorradfahrer taten es mir gleich. Für eine ruhige Unterhaltung war es hier draußen zu laut. Der Schiffsdiesel und der Wind waren doch sehr dominant. Ich hatte aber auch gar nicht so einen großen Gesprächsbedarf, meine Gedanken kreisten um die letzten beiden Tage. Die Eindrücke waren ganz schön intensiv und ich erinnerte mich an das Buch „Frederick“ von Leo Lionni. Ich habe in den letzten Tagen einfach nur genossen und egoistisch meinen inneren Speicher gefüllt. Keinen produktiven Betrag für meine Kunden oder meine Familie geleistet und trotzdem oder gerade deshalb saß ich hier im Regen und Wind, war zufrieden mit mir und der Welt.
Auf dem Weg nach Bodø hatte sich das Wetter langsam, aber stetig verschlechtert. Der Regen hatte zugenommen, die Sicht auf die Küste wurde immer schlechter.
Mein nächstes Ziel war der stärkste Gezeitenstrom Europas in Saltstraumen. Als ich die Brücke erreichte, hat es so stark geregnet, dass kaum etwas zu erkennen war und ich keine Lust zum Absteigen hatte. Ich bin einfach weitergefahren.
Über die 812, eine schöne Nebenstrecke, bin ich dann zur E6 herübergefahren. Der Straßenverlauf war sehr schön und führte lange am Misværfjorden entlang. Durch das schlechte Wetter konnte ich davon leider nicht viel sehen.
In Misvær habe ich getankt und direkt danach leuchtete meine ABS-Warnleuchte. Nun startete Kopfkino. Ich hatte bisher so ziemlich alle Probleme, die bei der GS meines Baujahres auftreten konnten. Der Kardan wurde schon bei unter 50.000 km getauscht, weil er völlig vergammelt war, die Schaltereinheit links mit dem Tempomaten usw. musste ich schon ersetzen. Wurde weder auf Garantie noch auf Kulanz geregelt und war unverschämt teuer. Beim BMW-Zusatzscheinwerfer links wackelt das Glas, angeblich ein völlig unbekanntes Problem. Mein Navi VI leidet an Ghosting. BMW wollte mir für den halben Preis ein anderes Gerät verkaufen, möglicherweise wie bei meinem Kumpel. Der bekam großzügig als Austausch ein neues Gerät aus der gleichen, schwächelnden Serie.
Das neue Navi hat mir Garmin kostenfrei zugeschickt, kam leider am Tag meiner Abreise und liegt auf meinem Schreibtisch.
Nun das ABS? Einer meiner Kumpel hat das zweite Mal Probleme mit dem ABS an seiner 1150 GS. Bei ersten Mal war er mit über 1000 € dabei. In mir kam ein unschönes Gefühl auf. Zu oft hatte ich mich in den letzten Monaten über die Qualitätsmängel bei BMW und die Arroganz im Umgang mit betroffenen Kunden geärgert. Ich möchte ausdrücklich betonen, mit meiner Werkstatt bin ich zufrieden, mit dem Kundenservice, speziell der Reklamationsabteilung, gar nicht.

ABS: Wenn ich es abgeschaltet haben sollte, muss ich doch nur die Zündung ausschalten und neu starten das ABS sollte sich dann doch wieder aktivieren oder?
OK, Stoppen, Moped aus, neu starten und … ABS abgeschaltet.
Gerade bei diesem Sauwetter kein beruhigendes Gefühl. Aber was soll's, ist bis vor drei Jahren ja auch immer ohne gegangen.
Bei dem ganzen Nachgedenke über BMW und die Qualität hätte ich auf der mittlerweile etwas langweiligen Strecke fast die Polarkreisüberquerung verpasst.
Schnell den Blinker setzen und einen Moment in den beheizten Räumlichkeiten ein wenig Wärme tanken.
Völlig durchnässt erreichte ich, recht spät am Abend, nach nur 318 km plus der Fährfahrt, Mo i Rana. Ich sah ein Hotel der Scandic Gruppe, ich hatte mittlerweile gelernt, dass die Hotels ein gutes Preis- Leistungsverhältnis aufweisen. Als ich auf den Parkplatz fuhr, erkannte ich den Bus, der die Motorradgruppe begleitete, mit der mein Freund Bernd unterwegs war. Ein paar Meter weiter erkannte ich dann auch sein Motorrad. Ich dachte die Gruppe, sei mir einen Tag voraus und dass ich hier bestimmt kein Zimmer mehr bekomme. Mit der zweiten Annahme lag ich richtig.
Etwa 10 Meter weiter konnte ich im „Sure Hotel by Best Western Ole Tobias“ noch ein Zimmer ergattern. Fahrstuhl, trocken, warm, aber kein Restaurant.
Direkt gegenüber war jedoch die Gaststätte „No3“. Ich rief Bernd an und fragte, ob er Lust auf ein Bier habe, ich sei etwa 100 Meter von ihm entfernt und weitere 20 Meter sind es bis zum Zapfhahn. Etwa 10 Minuten später trafen wir uns am Eingang. Dort wurden wir von zwei Motorradfahrern, die ich von der Fähre her kannte, die wir bei Regen und Sturm gemeinsam nutzten, abgefangen und an den Tisch eingeladen. Das war in mehrfacher Hinsicht toll. Zum einen war der Laden rappelvoll, und wir hätten eh keinen Tisch für uns allein bekommen, zum anderen saß dort noch ein Däne und wir führten nette Gespräche. Als ich nachfragte, wie ein Hamburger und ein Passauer auf eine gemeinsame Tour zusammenfinden war die Antwort schon bemerkenswert. „Wir haben uns auf einer gemeinsamen Motorradgruppenreise in Patagonien kennengelernt.“ Da komm mal drauf. Entsprechend interessant waren dann auch weiter Gesprächsinhalte. Netter Abend in netter Runde bei gutem Essen, mehr kann man nicht erwarten.
Das Frühstücksangebot war klein, aber fein, und die Einrichtung des Frühstücksraums war ein echter Hingucker. Teilweise waren die Tische wie ein Teil eines Bahnwaggons eingerichtet. An den Wänden waren Gepäckablagen mit alten Koffern installiert. Der Gründer des Hotels hatte berufliche Wurzeln zur „Nordlandsbanen“ und hat begonnen, das Restaurant des Hotels wie einen Speisewagen einzurichten. Mir hat es sehr gut gefallen.

Als Motorradfahrer ist man den Elementen direkt ausgeliefert. Das hat viele Vorteile, man hat eine bessere Rundumsicht, spürt den Wind und die Temperaturschwankungen, nimmt Gerüche direkt wahr und erlebt die Reise mit allen Sinnen. Leider ist man bei schlechtem Wetter auch mittendrin, so das man klugerweise schon vor Fahrtantritt die Klamotten schlau auswählen muss. Also, an diesem Tag fiel die Wahl auf warm und Wasserfest.
Leider war der Himmel extrem dunkel und geizte nicht mit Wasser.
Mein nächstes Ziel war die „Atlantic Road“ bei Kristiansund. Ich wollte gern dort in der Nähe übernachten. Gern hätte ich eine Freundin meiner Söhne auf einen Kaffee besucht. Sie studiert in Levanger, doch war sie zu dem Zeitpunkt noch in Deutschland, weil Semesterferien waren. Trotzdem wollte ich den Ort sehen und er lag auf der Strecke. Von der Tagestour gibt es nichts Besonderes zu berichten. Das Wetter lud nicht zum Fotografieren oder Filmen ein. Ich habe einfach nur Kilometer abgerissen.
Am Abend erreichte ich dann Kristiansund. Im „Quality Hotel Grand“ hatte ich kurz vorher ein Zimmer reserviert. Vor dem Haus in der Fußgängerzone, parkten schon zwei Motorräder mit französischen Kennzeichen. Ich stellte meines daneben. An der Rezeption fragte ich, ob ich mein Motorrad dort über Nacht stehen lassen könne, der Mitarbeiter meinte eigentlich nicht. Als ich sagte, dass da schon zwei weitere stehen, gab er zu verstehen dann wäre es ja eh egal. Das Zimmer war klein, aber sauber und zweckmäßig eingerichtet. Restaurant, wie immer, geschlossen. Aber in der Umgebung soll es mehrere geöffnete Restaurants geben. Ich ging nur ein paar Meter die Straße entlang und stand vor dem Lokal "Birgers burger" mit dem Slogan „GOOD FOOD, GOOD VIBES“ und dem Zusatz „Beer & Burger“. Passt, dachte ich mir, für einen angemessenen Betrag stillte ich meine Grundbedürfnisse und verbrachte einen Abend in netter Atmosphäre.
Am Morgen betrat ich den Frühstücksraum und war begeistert. Das mit Abstand beste Frühstücksbuffet meiner Reise breitete sich vor mir aus. Das Angebot war riesig, das Personal sehr rührig, aber unauffällig. Die Zufriedenheit der Gäste spiegelte sich in einer sehr ruhigen Atmosphäre wider. Ich habe dieses Frühstück genossen und mich dann auf den Weg zur „Atlantic Road“ gemacht, so dachte ich jedenfalls.
Ich hatte mich auf diese Tour nicht sonderlich vorbereitet, ich dachte, wenn ich Kristiansund in Richtung Süden verlasse, dann komme ich automatisch zu der Attraktion. Leider nein, eine große Brücke, die meine Aufmerksamkeit an einem Kreisel auf sich zog, ließ mich die richtige Abfahrt verpassen. Aber wie ich nun mal bin, ich zweifelte ein wenig an dem Streckenverlauf, doch umdrehen, das ist nicht so meine Strategie. Als ich dann endlich erkannte, dass ich die Brücken schon lange hätte erreicht haben müssen, bemühte ich dann doch mein Navi und stellte fest, falsche Richtung, ich muss zwar nicht zurück, doch nun direkt über kleine Straßen nach Westen.
Das habe ich dann auch gemacht. War vielleicht gar nicht so schlecht, diesen Fehler gemacht zu haben, das Wetter hatte sich zwischenzeitlich so verbessert, dass ich nun von dieser Straße aus auch etwas sehen konnte. Außerdem konnte ich sie jetzt hin- und zurück fahren. Doppeltes Vergnügen.
Nun weiter nach Süden, das nächste Highlight des Tages sollte Geiranger sein. Die Trollstigen waren nach Erdrutschen im Frühjahr gesperrt worden. Die fielen also aus, aber die Straßen nach und von Geiranger sind ein Erfahren wert.
Nach der Fährfahrt von Molde nach Vestnes wurde das Wetter plötzlich viel besser, die Sonne schien und die Wolken hatten sich verzogen.
Herrliche Ausblicke auf den Storefjord boten sich mir.
Ich habe mehrere Male angehalten, um Fotos zu machen oder einfach nur die Aussicht zu genießen. Das ist nicht so unbedingt meine Art.
Dann kam ich auf die D63, eine Straße mit Suchtpotential, die nach Geiranger führt.
Der Aussichtspunkt am höchsten Punkt über Geiranger war stark frequentiert. Ich fand auf den schrägen Flächen keinen gut geeigneten Stellplatz für mein Moped und habe es bei einem Blick während einer langsamen Vorbeifahrt belassen.
In Geiranger hatte das Kreuzfahrtschiff Costa Diadema festgemacht. Durch Zufall war eine Freundin an Bord. Ich hielt neben dem Schiff und winkte, in der Hoffnung, dass sie mich, von dieser Kleinstadt herunterschauend, an Land sehen konnte. Sie war aber zu dem Zeitpunkt gerade mit dem Bus auf dem Weg zum Dalsnibba, meinem nächsten Ziel.
Auf dem Weg von Geiranger zum Dalsnibba habe ich sehr schöne Ausblicke ins Tal genossen. Den Verkehr im Schritttempo aus dem Ort heraus und die ersten Kilometer den Berg hinauf habe ich hier mal ausgeblendet.
Was mir aber durch den Kopf ging, hatte ja viel Zeit zum Denken:
Auf der Tour sind mir viele Radfahrer aufgefallen, die einen Stock auf dem Gepäckträger mit sich führten, der quer zur Straße ausgerichtet war, um den Seitenabstand einzufordern. Schade, dass das nötig ist, sieht nicht schön aus, kostet unnötig Kraft und das Einhalten eines Seitensicherheitsabstandes sollte selbstverständlich sein. Doch wenn der Radfahrer im Stopp- und Go-Verkehr eine Chance sieht, sich zwischen den Fahrzeugen einen Weg zu bahnen, ist ihm der Seitensicherheitsabstand von 10 cm ausreichend. Als Motoradfahrer benötige ich bei langsamer Fahrt ein bisschen seitlich Spielraum für das Halten der Balance. Hier geht die Gefahr eindeutig von den Radfahrern aus.
Ja, und „Die weiße Pest“, so haben einige Motorradfahrer auf der Tour die Wohnmobile bezeichnet.
Ich gehe da mal ein wenig ins Detail. Ich habe die Wohnmobilisten für mich in drei Gruppen eingeteilt.
Die Wohnmobilisten, die ihr eigenes Fahrzeug bewegen, erfahren sind und ggf. schon ein Fahrsicherheitstraining absolviert haben. Diese fahren umsichtig, in der Geschwindigkeit angemessen, signalisieren schon mal, dass man überholen kann und fallen nicht negativ auf.

Dann die Fahrer von Leihfahrzeugen: Da fehlt die Einschätzung der Breite des Fahrzeugs, so das die fast immer zum Teil im Gegenverkehr fahren. Wenn ein Auto entgegenkommt, wird grundsätzlich gebremst, weil die Straße als zu schmal eingeschätzt wird. Der rückwärtige Verkehr wird gar nicht wahrgenommen, dafür ist nicht auch noch Kapazität.
Die dritte Gruppe ist die schlimmste. Alle anderen Verkehrsteilnehmer werden ausgeblendet. Wenn Fahrer oder Beifahrer entscheiden, hier muss ein Foto gemacht werden, dann hält man halt an und macht ein Foto. Da der Kofferaufbau den Blick nach hinten versperrt, muss das Fahrzeug entsprechend ausgerichtet werden, notfalls über beide Fahrspuren. Damit durch Überholen kein zusätzlicher Stress aufkommt, fährt man, wenn kein Gegenverkehr in Sicht ist, in der Mitte der Straße. Fahrtrichtungsanzeiger werden nur bei der Hauptuntersuchung betätigt.
Der Dalsnibba ist ein 1475 m hoher Berg, der über die mautpflichtige Straße „Nibbevegen“ angefahren werden kann. Der Ausblick auf den 7 km entfernten Geirangerfjord und auf die zum Teil mit Schnee bedeckten Berge ist sehr beeindruckend.
Die Straße ist in einem hervorragenden Zustand und windet sich in vielen Kurven und Serpentinen den Berg hinauf.
Während der Fahrt und an den Aussichtspunkten öffnen sich Ausblicke in die Täler und auf die umliegenden Berge, die wohl lange in meiner Erinnerung bleiben werden.
Den See Djupvatnet habe ich von dem Nibbevegen aus schon bewundert, an ihm entlangzufahren ist auch sehr schön.
Meine heutige Tour führte mich auch auf die Hochebene „Jotunheimen“. Laut Wikipedia ist Jotunheimen das höchste Gebirge Norwegens und Skandinaviens. Die Landschaft ist schon sehr speziell, auch im Sommer liegt hier in den Mulden und Schattenseiten der Hügel noch Schnee. Die Vegetation ist sehr spärlich. Es ist absolut still, und ich habe mich gefühlt, als sei ich auf einem anderen Planeten.
Wieder im Tal, habe ich ein Zimmer auf einem Campingplatz gebucht. Der Platz hieß „Vassbacken Kro & Camping AS“, war direkt am Fuße des „Åsafossen Waterfall“ und bietet neben Zeltplätzen auch Wohnmobilstellplätze, Ferienhütten und Zimmer an.

Eine der Damen an der Rezeption kam aus Deutschland, sie wollte einfach mal eine Zeit im Ausland arbeiten und eine ihrer Bekannten kam aus Norwegen. So ergab sich der Kontakt. Sie war, wie auch das weitere Personal, sehr nett.
Als ich mich entschied, etwas zu essen, war die Küche eigentlich schon geschlossen, doch der Chef bereitete mir noch ein Tagesgericht. Danke, war lecker.
Der Wasserfall war zwar nicht gerade leise, doch das Geräusch hatte etwas Beruhigendes.
Der Frühstücksraum war gemütlich eingerichtet und das Angebot übertraf meine Erwartungen für die Location, fiel wieder in die Kategorie „klein aber fein“.

Gegen meine Gewohnheit fuhr ich an diesem Tag erstmal ein paar Kilometer zurück auf dem Sognefjellsvegen (55), um dann in den mautpflichtigen Tindevegen abzubiegen. Diese kleine kurvenreiche Straße führt über das „Berdalsfjellet“, ein scheinbar sehr beliebtes Wandergebiet.
Die Schafe fanden die Fahrbahn offenbar auch perfekt für ein Nickerchen.
Wenn man im Internet nach dem Fjell sucht, findet man Formulierungen wie „überwältigendes Panorama“. Ich kann bestätigen, dass mir auf dieser Strecke auch das eine oder andere "Wow" rausgerutscht ist. Leider bin ich nicht der geborene Fotograf.
Manchmal ist es der Blick in ein Tal oder die Sicht auf einen Berg, vor allem aber am Ende der Straße der Ausblick auf den „Sognefjord“ und den Ableger „Årdalsvatnet“, den ich bei schönstem Sonnenschein, in Øvre Årdal erreichte.
In Årdalstangen wurde ich dann von einer typisch norwegischen Baustelle eingebremst. Die Straße war vor dem Tunnel gesperrt. Das Begleitfahrzeug wird in 45 Minuten wieder eine Kolonne durch die Baustelle führen. Ich wollte gerade ein wenig mit der unerwarten und langen Pause hadern, als eine GS hinter meinem Moped zum Stehen kam. Ein Ehepaar aus Irland stieg ab, und wir haben uns so gut unterhalten, dass die Zeit wie im Fluge vergangen ist. Die beiden hatten Ihr Motorrad per Spedition nach Oslo transportieren lassen und machten nun eine Rundtour durch Südnorwegen. Sie waren auch völlig geflasht von den bisherigen Eindrücken ihrer Tour. Wir stellten fest, dass wir schon einige Überschneidungen bei unseren Reisezielen der letzten Jahre hatten und unterhielten uns über den Gardasee, die Dolomiten, die Pyrenäen, Portugal usw. Ich gestand, dass ich noch nie in Irland war und das mir der Linksverkehr, vor allem auf der Anreise, Angst macht. Mein Gesprächspartner hat sich wirklich Mühe gegeben, mich nach Irland zu locken. Ich bemerkte, ich sei verwundert, dass ich ihn so gut verstehen könne, ich hatte mit einem Dialekt gerechnet, der die Verständigung erschwert, doch er meinte, sie kämen aus dem Norden, und das sei, ähnlich wie in Deutschland, die Region mit der deutlichsten Aussprache. Außerdem seien sie so oft im Ausland unterwegs, dass sie halt gelernt haben, das sie gut verstanden werden, wenn sie einfach ein wenig langsamer sprechen.
Das Begleitfahrzeug ist schon da, nun aber flott in die Klamotten und schon geht es los. Wir fuhren noch einige Kilometer zusammen, bis sie dann nach Osten in Richtung Oslo abbogen und ich mich nach Südwesten orientierte.
Leider habe ich an dieser Stelle ordentlich verwachst. Ich fand mich plötzlich im Lærdalstunnel wieder. Er ist mit 24,5 km der längste Tunnel der Welt und die Beleuchtung, die eingebaut wurde, um die Leute wach zu halten, ist ja nett anzuschauen, doch ich wollte eigentlich über das Aurlandsfjellet. Dann halt beim nächsten Mal.
Getröstet hat mich dann die Strecke auf der 50. Ein Geschlängel von Straßenführung, Serpentinen und enge Kurven in Tunneln und am Berg, mit wunderschönen Ausblicken auf den Vassbygdevatnet.
Der 50 bin ich dann weiter bis nach Hagafoss gefolgt. Der Weg dorthin führte mich am Strandavatnet entlang, ein Stausee, der 1953 fertiggestellt wurde und mit seinen 23,75 km⊃2; auf mich einen riesigen Eindruck machte. Im Winter sieht man die vielen Hütten am Ufer, jetzt im Sommer habe ich sie hinter der üppigen Vegetation fast nicht gesehen.
Die Orte Hovet und Hol habe ich schon in Winterurlauben gesehen, ebenso wie Geilo an der 7, der ich nun folgte. Der 40, einer kleinen Straße, folgte ich dann weiter nach Süden bis nach Austbygdi, und dann über die 364 und 37 nach Rjukan.
Extrem dunkle Wolken auf dem Weg in Richtung Westen ließen mich stoppen.
Ich hatte keine Lust nach einem so schönen Tag, an dem ich auch Sonne und Wärme tanken konnte, in eine solche Schlechtwetterfront zu fahren. Mein Handy zeigte nur wenige Hotels in der Nähe, für eines in der Nähe musste ich ein wenig zurückfahren und dann den Berg hinauf. Ich buchte kurzentschlossen und machte mich flott auf den Weg.
Von Kurve zu Kurve wurde die Strecke schöner und interessanter. Schöner, weil ich immer weiter ins Tal schauen konnte und ich mich vom Regenwetter zu entfernen schien, interessanter, weil die Streckenführung immer steiler und enger wurde. Trocken erreichte ich das Hotel „Gustablikk“, das auf „edel“ machte.
Als ich in meinem Motorradklamotten an der Rezeption stand und kundtat, dass ich reserviert habe, wurde mir gesagt, das Hotel sei ausgebucht. Als ich der Mitarbeiterin meine Buchungsbestätigung auf meinem Handy unter die Augen hielt, meinte sie, sie müsse erstmal prüfen, ob das Zimmer bereit sie. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die mit Sicherheit ausgereicht hat, um das Zimmer herzurichten, durfte ich es dann in dem weitläufigen Hotel nach einer spärlichen Wegbeschreibung suchen. Die Hinweise an den Wänden waren auch nicht immer eindeutig.
Auf einer kleinen, nur fünf Stufen hohen Treppe habe ich mich fast gelegt. Die erste Stufe war viel höher als erwartet. Mit dem Gepäck in den Händen hatte ich keinen freien Blick. Als ich dann mein, zugegeben sehr schön eingerichtetes Zimmer erreichte, stimmte im Nachbarzimmer ein Hund ein sehr lautes Gebell an. Das hat mich extrem genervt. Da ich nun gerne etwas Essen wollte, machte ich mich auf den Weg zum Restaurant.
Als ich dort nach einer Reservierung gefragt wurde, musste ich passen „Sorry, alle Tische belegt.“ Als ich dann um einen Tisch bat, der nach dem Speisen der ersten Gäste frei werden sollte, wurde mir eröffnet, dass die Gäste in der Regel sehr lange bleiben und eine zweite Besetzung kaum in Frage kommt. Ich hielt es für eine Lüge. Ich passte als alleinreisender Motorradfahrer einfach nicht in die Kategorie „Wunschkunde“. Mir wurde die Bar mit der Bistrokarte empfohlen.
Ich suchte mir einen der wenigen feien Tische mit einer anständigen, für ein Abendessen geeigneten Sitzhöhe und wartete. Ich wartete und wartete auf die Bedienung. Dann legte jemand eine Speisekarte auf meinen Tisch und entschwand, bevor ich ein Getränk bestellen konnte. Ich entschied mich schnell für ein Gericht und ein Getränk und wartete und wartete. gutaussehende Damen im Doppelpack gehörten offenbar eher zur Zielgruppe der Kellner, die ich durchweg für Spanier hielt. Die Frauen hatte ihr erstes Getränk schon kurz, nachdem sie saßen, und sie wurden auch mit der Speisekarte empfangen.
Drei Mal habe ich den an meinem Tisch vorbeischreitenden Kellner höflich angesprochen, beim vierten Mal etwas lauter und direkter. Beim fünften Anlauf, nach über 30 Minuten des Wartens, haben sich auch die Tischnachbarn zu mir umgedreht. Nun konnte ich eine Bestellung platzieren. Das Getränk kam auch recht zügig, das Essen nicht in der zu erwartenden Reihenfolge. Ich glaube, ich habe mein Essen erst bekommen, als die Ober befürchteten, ich könne mich satttrinken, wenn ich nichts bekomme.

Auf der Terrasse habe ich mich auf einem der großen, gemütlichen Holzsessel wieder beruhigt.
Das Hotel hatte sicherlich viele „Specials“, Kinder und Eltern kamen mir in Badesachen entgegen, die Einrichtung war beeindruckend schön und die Atmosphäre ruhig, und für Pärchen und junge Familien scheinbar gut geeignet. Ich habe mich von Anfang an nicht willkommen gefühlt und der kläffende Hund im Nebenzimmer war einfach nur nervig. Zum Glück sind Frauchen und Herrchen auch rechtzeitig im Zimmer aufgetaucht.
Das Frühstück belegte in meinem Frühstücksranking den zweiten Platz. Freie Platzwahl, toller Ausblick in die umliegenden Berge dieses Skigebietes. Eine große Auswahl an leckeren und frischen Speisen. Allein das Angebot an frischen Broten war beeindruckend.
Ein versöhnlicher Abschluss vor meiner Abreise.
Ich habe noch gar nicht erwähnt, warum ich in diesem Teil des Landes gelandet bin.
Ursprünglich wollte ich näher an der Küste gen Süden fahren. Lysebotn und Odda standen z.B. auf meiner Liste. Doch der Wetterbericht hatte für die letzten Tage meiner Reise in Norwegen Regen in der Küstenregion und besseres Wetter in der Mitte des Landes angekündigt.
Die Regionen, die ich in meinen Winterurlauben bereist bin, im Sommer zu sehen, mit der Aussicht auf trockene Straßen und besserer Sicht, fand ich auch sehr reizvoll.
Dieses sollte nun mein letzter kompletter Fahrtag in Norwegen sein. Am Abend wollte ich in Vanse ankommen und sehr alte, gute Freunde besuchen, die sich dort ein Haus gekauft haben.
Auf dem Weg nach Norden, im Dauerregen in Schweden, musste ich an Gaby und Mike denken. Die beiden haben sich immer amüsiert, weil meine Frau und ich fast in jedem Urlaub viel Regen abbekommen haben. Meistens, wenn wir mit dem Motorrad unterwegs waren. Einmal hatten wir einen Flug nach Mallorca gebucht und uns gefragt, ob es vertretbar ist, in ein Land zu fahren, in dem Wassermangel herrscht, weil es so lange nicht geregnet hat. Am Tag unserer Ankunft schlenderten wir bei Sonnenschein in eine Eisdiele. Kaum saßen wir unter einer schattenspendenden Markise, zog ein Gewitter mit Starkregen auf. Wir hatten unser Wasser mitgebracht.
Ein paar Jahr später, 1990, um genau zu sein, hatten wir nur eine Woche Zeit für unseren Sommerurlaub. Wir fuhren spontan nach Norwegen, in den Ort Knaben, dort hatten Gaby und Mike ein Häuschen gemietet. Als wir dort ankamen, begann es nach mehreren Wochen trockenem Sommer in Strömen zu regnen.
Mike zeichnete damals eine Postkarte für mich, ein Bär liegt bei Regen in einem Sonnenstuhl und schlürft ein Getränk. Als Text stand auf der Karte, „Alles eine Frage der Einstellung“.
Daran musste ich in Schweden denken. Da die beiden seit Jahren viel Zeit in Norwegen verbringen, bin ich mehre Male vergebens an ihrem Haus in Deutschland angehalten und ohne Kaffee und Klönschnack nach Hause gefahren.
Nun hatte ich die Idee, per Mail nachzufragen ob die beiden evtl. in Norwegen sind.
Eine Antwort kam postwendend, ja, sie sind in Norwegen und ich bin herzlich auch für eine Übernachtung eingeladen. Von Vanse nach Stade ist es mit der Schnellfähre ab Hirtshals eine Tagesetappe entfernt.
Der Tag startete mit einem herrlichen Blick auf den Gaustoppen, einem 1883 m hohem Berg, der mich mit seiner Form an einen Vulkan erinnerte. Am Südhang soll ein Flugzeugwrack liegen, dass aufgrund der Unzugänglichkeit des Gebietes nie geborgen wurde. Die Straße, die ich befuhr, heißt „Tuddalsvegen“ und endet nach ca. 40 km in Sauland.
Bis auf ein kurzes Teilstück bin ich an diesem Tag der 41, 42 und 43 gefolgt.
Die Farben beim Blick auf den „Nisser“ fand ich sehr schön. Das muss man sich im Original ansehen, auf dem Foto kommt die Intensität leider nicht so richtig rüber.
Nach 352 km bin ich dann bei Gaby und Mike in der Nähe von Vanse angekommen.
Von dem Haus, das die beiden gekauft haben, kann man aus mehreren Fenstern bis aufs Meer blicken. Es ist zwar noch einige Kilometer entfernt, doch das Gelände dazwischen ist abschüssig und unbebaut. Mike ist dann ein wenig mit mir über die Halbinsel gefahren, um mir ein paar schöne Stellen zu zeige.
Das Bäumchen, das dem Wind trotzt, aber nur in eine Richtung wachsen kann. Die Felszeichnungen, die auf die lange Geschichte der Besiedelung dieses Landesteiles hindeutet.
In der Eiszeit ist das Eis von Süden nach Norden getaut. Dieser Landstrich war einer der ersten, der besiedelt werden konnte.
Hier ein paar Fotos von der Rundfahrt.
Blick aus dem Fenster.

Ein tolles Abendessen, viele Gespräche und noch mehr Lachen rundeten diesen Tag und irgendwie auch meine Reise ab.
Eine letzte Nacht in Norwegen und dann steht die letzte Etappe an.

Die Fähre habe ich am Abend noch gebucht. Mike hatte den Tipp, die Buchung über seinen PC vorzunehmen. Wenn man die Fähre in Norwegen bucht, ist es günstiger als von Deutschland.
Die Fähre startete erst so gegen Mittag. Zeit genug für ein nettes gemeinsames Frühstück und ein letztes Mal Packen des Mopeds.

Nach einem herzlichen Abschied machte ich mich auf den Weg in Richtung Hirtshals. Mir fiel hier die große grüne Wiese auf. Ich war so viel durch schroffe Berglandschaften gefahren, dass mir eine so große ebene Wiese wie etwas Besonderes vorkam.
An der Fähre ging das Einchecken relativ schnell, doch das Warten auf das an Bordfahren macht müde und mürbe. Zum Glück trafen sich die Motorradfahrer an einem Sammelpunkt, sogar mit ein wenig Schatten, und so gab es Gelegenheit, sich ein wenig über seine Erlebnisse auszutauschen. So verging die Zeit gefühlt viel schneller.
Sobald man dann an Bord fahren kann, bricht wieder Hektik aus. Richtig einparken, eng wie immer, Sichern des Motorrads und dann ab nach oben, einen guten Sitzplatz ergattern.
Hat alles gut geklappt.
Ich wollte gerne draußen sitzen und die Sonne und die frische Luft genießen. Irgendwann trieben mich aber Hunger und Durst ins Innere des Schiffes. Ich kaufte mir ein Sandwich und ein Wasser. Der Preis gab mir kurz das Gefühl von komplettem Realitätsverlust. Ich fragte nach, und der Preis wurde bestätigt. Ich hätte es wissen müssen, am Heck der Fähre hatte ich selber die dänische Flagge fotografiert.
Vom Verlassen der Fähre an war die Fahrt eher langweilig. Ich wollte nun schnell, am besten noch im Hellen, zuhause ankommen. Ich entschied mich daher für die Autobahn.

Hinter der deutschen Grenze probierte ich erstmal aus, ob die letzten 2/3 meines Tachos, die ich nun über zwei Wochen nicht genutzt habe, noch funktionieren. Alles bestens. Meine Reisegeschwindigkeit hielt ich dann bis Hamburg auf einem hohen Niveau. Ich hatte das Gefühl, recht flott unterwegs zu sein, und wurde plötzlich von einer „Biene“, einer gelben Ducati, recht schnell überholt. Eine junge Frau, in Turnschuhen und Freizeitkleidung, zeigte mir, dass da noch reichlich Luft nach oben ist. Respekt, als sie langsamer wurde, weil sie abbog, zeigten wir uns gegenseitig den Daumen nach oben. Wir wussten beide, dass wir bei unserm Aufeinandertreffen unsere Mopeds am oberen Ende der Leistungsgrenze bewegt hatten.
Vor Hamburg staute sich der Verkehr, und ich kam trotz Motorrad auch nur im Stopp- and Go voran. Die Spuren wurden von 5 auf eine zusammengeführt. Ein LKW war mit einem technischen Defekt kurz vor dem Elbtunnel mitten auf der Bahn stehengeblieben.
Meine Fahrt hat sich dadurch wohl um eine Stunde verlängert. Als ich dann endlich den Eurokai in Hamburg passierte, war ich ja schon fast zuhause. Ich drömelte dann so durchs Alte Land und ließ einige Eindrücke der Tour vor meinem inneren Auge ablaufen.

Ein Traum ist wahr geworden. Ich bin sehr froh, dass ich mir das gegönnt habe.
Intro
1. Teil "Nordwärts"
2. Teil "Südwärts"